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LIBRARY
University of California.
Class
I
• 1
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HENRI BERGSON
EINFÜHRUNG IN
DIE METAPHYSIK
OF THE '^ \
UNIVER31TY
OF
AUTORISIERTE ÜBERTRAGUNG
VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS • JENA 1 909
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QENERl^i.
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ÜNIVERGITY ]
WENN man die Definitionen der Metaphyfik oder die
AufFafliingen des Abfoluten unter einander ver-
glefcht, fo bemerkt man, daß die Philofophen trog ihrer
augenfälligen Diveigenzen darin übereinftimmen, daß (ie
zwei im tief ften verichiedene Weifen, einen Gegenftand zu
erkennen, unterIcheiden. Die erfte fefet voraus, daß man
um diefen Gegenftand herumgeht, die zweite, daß man in
ihn eindringt. Die erfte hängt von dem Standpunkt ab, auf
den man fich begibt, und von den Symbolen, durch die
man fich ausdruckt Die zweite geht von keinem „Ge-
fichtspunkt" aus und ftügt fich auf kein Symbol. Von der
erften Erkenntnis wird man fagen, daß fie beim Relativen
halt macht, von der zweiten — da, wo fie möglich ift, —
daß fie das Abfolute erreicht.
Es fei z. B. die Bewegung eines Dinges im Raum gegeben.
Ich nehme fie auf verfchiedene Weife wahr, je nach dem
— bewegbaren oder nicht bewegbaren *- Standpunkt, von
dem aus ich fie anfehe. Ich drücke fie femer auf verfiiiie--
dene Weife aus, je nach demSyftemvon Achfen oderMerk--
punkten, auf das ich fie beziehe, d. h. je nach den Sym*'
bolen, in die ich fie überfege. Und ich nenne fie relativ
aus diefen beiden Gründen: in dem einen wie in dem
anderen Fall ftelle ich mich außerhalb des Objektes felbft.
Wenn ich dagegen von einer abfoluten Bewegung fpreche,
bedeutet dies, daß ich dem bewegten Objekt ein Inneres
und gleichfam feelilche Zuftande zu(äreibe; es bedeutet
femer, daß ich diefe Zuftande mitempfinde und daß ich
mich durch eine Anßrengung der Einbildungskraft in fie
verfefee. Ich werde dann, je nachdem der Gegenftand be-
weglich oder unbeweglich ift, je nachdem er eine oder die
andere Bewegung annimmt, nicht dasfelbe empfinden»
Und was ich empfinde, wird weder von dem Gefichts-
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punkte, den ich dem Objekt gegenüber einnehmen könnte,
abhängen, da ich in dem Ol^ekt felbft Fein werde, noch von
den Symbolen, durdi weldie ich es überreden könnte;; da
idi ja auf alle Oberfe^ung verziditet habe, um das Original
zu be%en. Kurz, die Bewegung wird nidit von außen ^
und in gewiffer Weife von mir aus— erfaßt werden, Gondem
von innen her, in fidi felbft. Ich werde ein Absolutes haben.
Es sei femer eine Persönlichkeit aus einem Roman ge-^
geben, deren Erlebnifle mir erzahlt werden. Der Roman-
fdireiber könnte die Charakterzuge häufen, feinen Helden
reden und handeln laflen, fo viel er wollte: alles dies würde
nicht das (chlidite und unzerlegbare Gefühl aufwiegen, das
ich empfände, wenn ich einen Augenblick mit der Perfön-'
lichkeit felbft zufammenträfe. Dann würde ich die Hand-
lungen, die Gebärden und Worte, ganz natürlich, nämlich
aus der Quelle felbft, hervorfließen fehen. Sie würden je^t
nidit mehr Beigaben fein, die zu der Idee, die ich mir von
der Pertonlichkeit machte, hinzuträten und die diefe Idee
immerfort bereidtiem würden, ohne doch je zu ihrer Voll-
ftändigkeit zu gelangen. Die Persönlidikeit würde mir mit
einem Schlage in ihrer Ganzheit gegeben fein, und die
taufend Nebenumftände, durch die (le (ich offenbart, wür-
den (idi mir, anftatt (ich der Idee hinzuzufügen und (ie zu
bereichem, im Gegenteil nun von ihr abzulöfen (cheinen,
ohne jedoch ihr Wefen zu er(äöpfen oder ihm etwas ab-
zuziehen. Alles, was man mir von der Perfönlichkeit er-
zählt, liefert mir ebenfoviele Gefichtjpunkte über fie. Alle
Züge, die (le mir befchreiben und die (ie midi nur durch
ebenfoviele Vergleidie mit mir Ichon bekannten F^rfonen
oder Dingen kennen lernen lalfen, find Zeichen, durch die
man fie mehr oder weniger fymbolifch ausdrückt. Symbole
und Gefichtspunkte ftellen mich alfo außerhalb ihrer; fie
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Kefem mir von ihr nur das, was ihr mit andern gemein ift
und ihr nicht als Etgenftes gehört. Aber was wirklich fie
felbft ift, was ihr Wesen ausmadit, läßt fich nicht von außen
wahrnehmen, da es feinem Begriffe nach innerlich ift, noch
fidi durch Symbole ausdrüdcen, da es jedem andern Ding
inkommenfurabel ift. Beldireibung, GeCrhichte und Analyfe
laflen midi hier imRelativen. Ganz allein dasZufammentref'
fen mit der Perfon Telbft würde mir das Abfolute geben.
In diefem Sinne, und einzig in diefem Sinne ift das Ab-'
folute gleichbedeutend mit Vollkommenheit. AUePho-
tographien einer Stadt von allen nur möglichen Anfichts-
punkten aus aufgenommen, würden einander umfonft un-
endlich ergänzen ^ fie würden niemals ihrem plaftifijien
Vorbild, der Stadt felbft, in der man fich ergeht, gleidi-
kommen. Alle Qberfe^ungen eines Gedichtes in alle nur
möglidien Sprachen werden vergeblich den Nuancen im-
mer neue Nuancen hinzufügen und durch eine Art wechfel-
feitiger Retufche einander korrigierend, ein immer treueres
Bild des überfe^ten Gedichtes Ichaffen *- niemals werden
fie den innerften Sinn des Originales wiedergeben. Eine
von einem beftimmten Gefichtspunkt aus gewonnene Vor-
ftellung, eine mittels beftimmter Symbole gemachte Über-
fegung bleiben immer unvollkommen im Vergleich mit
dem Gegenftand, von dem die Anficht genommen wurde
oder den die Symbole auszudrücken Tuchen. Das Abfolute
aber ift infofem vollkommen, als es das, was es ift, vollkom-
men ift.
Zweifellos aus demfelben Grunde sind das Abfolute und
das Unendlidie oft identifiziert worden. Wenn ich je-
mandem, der nicht Griechi((^ verfteht, den einfachen Ein-
druck übermitteln will, den mir ein Vers von Homer hinter-
laßt, fo werde ich die Überfegung des Verfes geben, dann
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werde idi meine Oberfegung deuten, dann meine Deu-'
tung weiter entwidceln, und von Erklärung zu Erklärung
werde idi midi mehr und mehr dem nähern, was ich aus-
drücken will; aberidi werde es dennodinie erreichen. Wenn
jemand den Arm erhebt, fuhrt er eine Bewegung aus, von
der er innerlidi die einfadie Wahrnehmung hat; aber
äußerlidi, für midi, der ihn anfieht, bewegt ßdi fein Arm
durch einen Punkt, dann durch einen andern Punkt, und
zwiidien diefen beiden Punkten werden wieder andere
Punkte liegen, To daß, wenn ich zu zählen anfange, das Ver-
fahren endlos weitergehen wird. Von innen gefehen ift ein
Abfolutes alfo ein Einfadies; von außen angefehen aber
wird es in Beziehung zu jenen Zeidien, die es ausdrücken,
das Stada Gold, deflen Wert man mit dem Zurückgeben
in Sdieidemünze nicht eridiöpfen kann. Nun aber ift das,
was (idi gleichzeitig einer unteilbaren An(diauung und
einer uner(diöpflidien Aufzählung darbietet, feinem Be^
griffe nadi ein Unendlidies.
Hieraus folgt, daß ein Abfolutes nur in einer Intuition ge-
geben werden kann, während alles übrige von der Ana-
lyfe abhängig ift. Intuition heißt jene Art von intellek-
tueller Einfühlung, kraft deren man fidi in das Innere eines
Gegenftandes verfemt, um auf das zu treffen, was er an
Einzigem und Unausdrückbarem befigt. Die Analyfe da-
gegen ift das Verfahren, das den Gegenftand auf (dion
bekannte, alfo diefem und anderen Gegenftänden ge-
meinfame Elemente zurückführt. Analyfieren befteht dem-
nadi darin, ein Ding durdi etwas auszudrüdcen, was nicht
es felbft ift. Jede Analyfe ift alfo eine Oberfegung, eine
Entwicklung in Symbolen, eineDarftellung, gewonnen von
aufeinanderfolgenden Gefichtspunkten aus, von denen aus
man ebenCDviele Zufammenhänge zwiichen dem neuen
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Gegenftande, den man unterrucht, und anderen, die man
(äon zu kennen glaubt, verzeichnet. In ihrem ewig unge-
ftillten Verlangen, den Gegenftand zu erfaffen, um den fie
zu kreifen verurteilt ift, mehrt die Analyfe ohne Ende die
Gefichtspunkte, um das immer unvollftandige Bild zu ver-
vollftändigen, verändert Ge unermüdlich die Symbole, um
die immer unvoIIkommneQberre^ung zu vervollkommnen.
Sie fe^t (ich alfo insUnendlidie fort. Die Intuition aber ift
—wenn Ge möglich ift — ein eihfadier Vorgang.
Dies vorausgefegt, ließe Geh ohne weiteres fehen, daß es
die angeftammte Tätigkeit der poGtivenWiflenläaft ift, zu
analyGeren. Sie arbeitet alfo vor allem mit Symbolen.
Selbft die konkreteften derNaturwiffenIchaften, dieWiffen-
Kräften vom Leben, halten Gdi an die Gditbare Form der
Lebewefen, ihrer Organe, ihrer anatomilchen Beftandteile.
Sie vergleichen die Formen miteinander, fuhren die kom-
plizierteren auf die einfacheren zurüde, ftudieren endlich
die Funktionen des Lebens in dem, was fozufagen ihr Geht-
bares Symbol ift. Wenn anders es ein Mittel gibt, eine
Realität abfolut zu erfaflen, anftatt Ge relatiy zu erkennen.
Geh in Ge hinein zu verfegen, anftatt Standpunkte ihr gegen-
über einzunehmen, eine Intuition von ihr zu haben, anftatt
eine Analyse von ihr vorzunehmen, fchließlich, Ge außer-
halb jedes Ausdruckes, jeder Überredung oder fymbolilchen
Darftellung zu ergreifen, fo ift dies die MetaphyGk felbft.
Die Metaphyfik ift demnach die Wiffenfchaft, die
ohne Symbole auskommen will.
ES gibt eine Realität zum wenigsten, die wir alle von
innen, durch Intuition und nicht durch bloße Analyfe
ergreifen. Es ift unfere eigene Perfon in ihrem Verlauf
durdi die Zeit. Es ift unfer Idi, das dauert. Wir können
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kein anderes Ding intellektuell miterleben« Sicherlidi ober
erleben wir uns felbft.
Wenn ich Ober meine PerGon, die idi als untatig annehmen
will, den inneren Blidc meines BewußtCeins hingehenlasse,
bemerke ich zuerft — wie eine auf der Oberflädie feft-
gewordene Krufte — alle Wahrnehmungen, die ihr aus
der materiellen Welt kommen. Diese Wahrnehmungen
find genau beftimmt, nebeneinander ftehend oder neben-
einander stellbar; (ie Tuchen (idi zu Objekten zu grup-
pieren. Weiterhin bemerke ich Erinnerungen, die mehr
oder weniger im Zufammenhang mit diefen Wahrneh-
mungen ftehen und dazu dienen, sie zu deuten. Diefe Er-
innerungen haben Geh gleichram vom Grunde meiner Per-
fonlosgelöft, (ie Gnd durch dieWahmehmungen, die ihnen
ähnlich find, an die Peripherie gezogen; fie find auf midi
geftellt, ohne im abfoluten Sinne Ich zu fein. Und endlich
fühle ich Strebungen, Bewegungsgewohnheiten, eine
Menge von virtuellen Tätigkeiten fidi manifeftieren, die
mehr oder weniger feft mit diefen Wahrnehmungen und
diefen Erinnerungen verknüpft find. Alle diefe Elemente
mit ihren genau beftimmten Formen Icheinen mir um fo
mehr von mir gelchieden zu fein, je mehr fie es voneinander
find. Von innen nadi außen geriditet bilden fie vereint die
Oberfläche einer Sphäre, welche die Tendenz hat, fidi zu
erweitem und fich in die Außenwelt zu verlieren. Wenn
ich mich aber von der Peripherie nach dem Zentrum hin
zufammenfafle, wenn idi auf dem Grunde meines Ich nach
dem fudie, was am gleichmäßigften, am beftändigften, am
dauerhafteften Ich ift, fo finde idi etwas ganz anderes.
Unterhalb jener Idiarf geldinittenen Kriftallformen und
jener Erftarrung der Oberflädie finde idi eine Kontinuität
des Verfließens, die mit nichts Fließendem, das ich je ge-
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Tehen habe, zu vergleichen ift. Es ift eine Folge von Zuf t
ftänden, deren jeder anzeigt, was folgt, und deren jeder f
enthalt, was ihm vorangeht. Tatfachlich bilden fie erft ver- j
Ichiedene Zuftände, wenn idi fie fchon hinter mir habe
und wenn idi midi zurückwende, um ihreSpur zu beobach-
ten. Während ich fie empfand, waren fie von einem ge-
meinfamen Leben fo feft organifiert, fo tief befeelt, daß
ich nicht hätte Tagen können, wo der eine endet, wo der
andere beginnt. Tatfächlich hat keiner von ihnen Anfang
oder Ende, fondem alle fe^en fich ineinander fort.
Es ift, wenn man fo will, das Abrollen einer Rolle, denn es
gibt kein lebendes Wefen, das nidit fühlte, wie es aHmäh-
lieh an das Ende feiner Rolle gelangt; Leben befteht darin,
daß man altert. Aber ebenfo gut ift es auch ein fortwähren-
des Aufwickeln wie das eines Fadens auf einen Knäuel;
denn unfere Vergangenheit folgt uns nach, vergrößert
fidi beftändig um das Gegenwärtige, das fie auf ihrem
Wege aufnimmt, und Bewußtfein bedeutet Gedächtnis.
In Wahrheit ift es weder ein Auf- noch ein Abwickeln,
denn jene beiden Bilder rufen die Vorftellung von Linien
oder Oberflächen hervor, deren Teile einander homo-
gen find und fichdedcen können. Nun gibt es abernichtzwei
identilche Augenblicke bei demfelben bewußten Wefen.
Nehmen wir das einfadifte Gefühl, fe^en wir es als be-
ftändig; laOen wir die ganze Perfönlichkeit völlig darein
aufgefogen fein: das Bewußtfein, das dies Gefühl begleitet,
wird nicht zwei einander folgende Augenblicke hindurch
fich gleich bleiben können, weil der folgende Augenblick
immer über den vorhergehenden hinaus die Erinnerung
enthält, die diefer ihm gelaflen. Ein Bewußtfein,, das zwei
gleiche Momente hätte, wäre ein Bewußtfein ohne Ge-
dächtnis. Es verginge und entftände alfo unaufhörlich von
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neuem. Wie anders aber foll man Geh gerade die Bewußt-
lofigkeit vorftellen?
Man wird (ich alfo das Bild eines taufendfarbigen Spek--
tnims mit unmerklichen Abftufungen, die von einer Nu-
ance zur andern fuhren, vergegenwärtigen müflen. Ein
Geföhlsftrom, der das Spektrum durchliefe, würde, indem
er Geh der Reihe nach an jeder TeinerNuancen färbte, grad-
weife Veränderungen erleiden, deren jede die folgende
ankündigen und in Geh die vorhergehenden zufammen-
faffen würde. Allein die einander folgenden Nuancen des
Spektrums werden immer noch außer einander bleiben.
Die eine ß:eht neben der andern. Sie nehmen Raum ein.
Die reine Dauer dagegen (chließt jeden Gedanken an
Nebeneinanderftellung, an ein gegenfeitiges Außerein-
ander und an Ausdehnung aus.
Stellen wir uns alfo lieber das Bild eines unendlich kleinen
Gummibandes vor, wenn es möglich wäre, in einen mathe-
matilchen Punkt zufammengezogen. Ziehen wir es allmäh-
lich auseinander, so daß aus dem Punkt eine Linie wird,
die immerfort anwächH:. Richten wir untere Aufmerkfam-
keit nicht auf die Linie als Linie, fondem auf die Tätigkeit,
die Ge zieht. Beachten wir, daß diefe Tätigkeit trofe ihrer
Dauer unteilbar ift, vorausgefefet, daß Ge Geh ohne Unter-
brechung vollzieht, daß man, wenn man eine Unter-
brechung dazwilchen Ichiebt, zwei Tätigkeiten ftatt einer
daraus macht und daß jede diefer Tätigkeiten dann die
unteilbare fein wird, von der wir fprechen; daß nicht die
bewegende Tätigkeit felbß: jemals teilbar ift, fondem die
unbewegliche Linie, die Ge unter Geh als eine Spur im
Raum zurückläßt. Machen wir uns endlich vom Raum frei,
der die Unterlage der Bewegung ift, um uns nur von der
Bewegung felbft Rechenfchaft zu geben, von dem Akt der
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Spannung oder Ausdehnung, kurz von der reinen Bewegt-
heit. Diesmal werden wir ein treueres Bild von der Ent--
Wicklung unteres Ich in der Dauer haben.
Und dennoch wird auch diefes Bild noch unvoUftändig
fein, wie übrigens jeder Vergleich ungenügend fein wird,
weil das Sichabrollen unterer Dauer von beftimmtenSeiten
her der Einheit einer fortichreitenden Bewegung, von an-
deren einer Vielheit Geh entfaltender Zuftände gleicht und
weil kein Gleichnis eine der beiden Anfichten wiedergeben
kann, ohne die andere zu opfern. Wenn ich mir ein tau-
fendfarbiges Spektrum vergegenwärtige, fo habe ich ein
fertiges Ding vor mir, während die Dauer kontinuierlich
entfteht. Wenn ich an ein (ich verlängerndes Cummuband,
an eine lieh an- oder abfpannende Feder denke, fo ver-
geffe ich den Reichtum der Färbung, der für die gelebte
Dauer charakteriftilch ift, um nur noch die einfache Be-
wegung zu Tehen, durch die das Bewußtfein von einer Nu-
ance zur anderen geht. Das innere Leben ift alles dies zu-
gleich, Mannigfaltigkeit von Qualitäten, Kontinuität von
Fortichritten, Einheit der Richtung. Es läßt (ich nicht durch
Bilder darftellen.
Aber noch weniger läßt es (ich darftellen durch Begriffe
^ d. h. durch ab(fa*akte oder allgemeine oder einfache
Ideen. Zweifellos wird kein Bild völlig das urfprüngliche
Gefühl wiedergeben, dasich von dem Verlauf meinesSelbft
habe. Aber es ift nichtsdeftoweniger notwendig, daß ich
verfuche, es wiederzugeben. Dem, der nicht fähig wäre,
(ich felbft die Intuition der fein Wefen ausmachendenDauer
zu geben, würde nichts (ie je geben können, weder Be-
griffe noch Bilder. Die einzige Aufgabe des Philofophen
muß hier fein, zu einer be(timmten Bemühung anzuregen,
welche bei den meiften Menlchen durch die dem Leben
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nO^lichcrenGeiftesgewohnheiten gehemmt wird. Das BUd
nun hat wenigftens den Vorteil, daß es uns im Konkreten
hält. Kein Bild wird die Intuition der Dauer erfe^en, aber
viele verichiedene Bilder, die ganz verichiedenen Sach-
reihen entlehnt find, werden durch das Konvergieren ihrer
Wirkungen das Bewußtfein genau auf den Punkt lenken
können, an dem eine beftimmte Intuition erreichbar wird.
Indem man die Bilder To auseinander Hegend wie möglich
wählt, wird man verhindern, daß irgendeines von ihnen
die Stelle der Intuition, die es aufrufen foU, uFurpiert, da
es dann Togleich durch feine Rivalen verdrängt werden
wurde. Indem man bewirkt, daß fie alle, tro^ der VerCchie-
denhSiten ihres Afpekts, von unterem Ceift diefelbe Art
von Aufmerkfamkeit und gewifTermaßen denfelben Grad
von Anfpannung fordern, wird man das Bewußtfein all-^
mählich an eine ganz befondere und ganz beftimmte Dis-
pofition gewöhnen, an eben die, deren es bedarf, um fich
felbft ohne Schleier zu ericheinen. Aber es wird fich jener
Anftrengung auch willentlidi unterziehen muffen; denn
es wird ihm nicht einfach etwas gezeigt. Es iß: ledig-^
lieh in die Attitüde verfemt, die es einnehmen muß, um
die erwün(chte Anftrengung zu machen und von fich aus
zur Intuition zu gelangen. Im Cegenfat hierzu befteht die
Ungeeignetheit der zu einfachen Begriffe auf diefem Ge-*
. biet gerade darin, daß fie tatfachlich Symbole find, die fich
an die Stelle des Gegenftandes fe^en, den fie Tymboli'-
fieren, und die von uns keinerlei Anfirengung verlangen.
Bei genauerem Hinfehn würde man gewahren, daß jeder
nur das von dem Gegenftande beibehält, was diefem
und anderen Gegenftänden gemeinfam ift. Man würde
gewahren, daß jeder — mehr noch als das Bild es tut —
einen Vergleich zwilchen dem Gegenftand und denen,
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welche ihm ähnlich find, ausdrödit. Aber da der Vergleich
eine Ähnlichkeit fichtbar gemacht hat, da die Ähnlichkeit
eine Eigentümlichkeit des Olq'ektes ift, da eine Eigentüm-
lichkeit ganz to ausfieht, als ob fie ein Teil des fiebefit^en"
den Objektes wäre, fo find wir ohne weiteres überzeugt,
daß wir, wenn wirBegriffe neben Begriffe fet^n, das Ganze
des Objekts aus feinen Teilen wieder zufammenfeten und
daß wir damit tozufagen (ein geiftiges Äquivalent gewinnen.
Auf diefe Weife glauben wir eine treue Darftellung der
Dauer bilden zu können, indem wir die Begriffe Ein«
heit, Vielheit, Kontinuität, endliche oder unendliche Teil-^
barkeit ufw. aneinanderreihen. Gerade hier liegt dieTäU"
Ichung. Hier liegt auch die Gefahr. So fehr die abftrakten
Ideen auch der Analyfe, d. h. einer wiflenß^afUichen
Unterfuchung des Objektes in feinen Relationen zu allen
anderen, dienlich Tein können, fo fehr find fie doch unfähig,
die Intuition, d. h. die metaphyfilche Erfor(chung des Ob-
jektes nach dem, was ihm weferitlich und eigen ift, zu er-
fe^en. Einerfeits können uns diefe aneinandergereihten
Begriffe tatfächlich nur eine künftliche Rekonlhuktion des
Objektes geben, von dem fie nur beftimmte allgemeine
und gewiflermaßen unindividuelle Anfichten fymbolifieren
können: umfonft alfo würde man glauben, mit ihnen eine
Wirklichkeit packen zu können, deren bloßen Schatten fie
uns bieten. Aber andererfeits eben liegt hier neben der
Täulchung auch eine fehr große Gefahr. Denn der Begriff
verallgemeinert im felben Maße, wie er abftrahiert. Der
Begriff kann eine befondere Eigenläafl nur fymbolifieren^
indem er fie einer Unzahl von Dingen gemein macht. Er
nimmt ihr alfo immer mehr oder weniger ihre Form durch
die Ausdehnung, die er ihr gibt. An ihrer Stelle innerhalb
des metaphyfi^en Objekts, welches fie befi^t, fallt die
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Eigen(chaft mit dierem zurammen, formt ßch zum min-'
deften ihm gemäß, nimmt diefelben Umrifle an. Aus dem
metaphyG(chen Objekt herausgezogen und in einemBegriff
dargeftellt, dehnt fie fich unendlich aus, fie greift über den
Cegenftand hinaus, weil fie je^t ihn zugleich mit anderen
enthalten muß. Die verlchiedenen Begriffe, die wir von
den Eigen(chaften einer Sache bilden, belchreiben alfo
ebenfoviele erheblich weitere Kreife um fie, von denen
keiner genau auf fie paßt. Und dennoch fielen in dem
Dinge die Eigenßrhaften mit ihm felbft zufammen und in-^
folgedelTen fielen fie miteinander zufammen. Wir werden
. alfo gezwungen fein, irgendeinen Kunftgriff zu fuchen, um
diefes Zufammenfallen wieder herzuftellen. Wir werden
irgendeinen diefer Begriffe herausgreifen und an feiner
Hand verfuchen, die anderen wieder zu vereinigen. Aber
je nachdem wir von diefem oder jenem ausgehen, wird
fich die Vereinigung nicht auf die gleiche Weife bewerk-
ftelligen laffen. Je nachdem wir z.B. von der Einheit oder
von derVielheit ausgehen, werden wir die vielfache Einheit
der Dauer verßiiieden begreifen. Alles wird von dem Ge-
wicht abhängen, das wir dem oder jenem unter den Be-
griffen zuerkennen, und diefes Gewicht wird immer will-
kürlich fein, denn der aus dem Objekt herausgezogene Be-
griff hat felbft kein Gewicht, da er nur noch der Schatten
eines Körpers ift. So werden Geh eine Menge von ver-
lchiedenen Sy ftemen erheben, ebenfoviele, wie es äußere
Gefichtspunkte über die zu unterfuchende Wirklichkeit
oder wie es weitere Kreife gibt, in die man fie einftellen
kann. Die einfachen Begriffe haben alfo nicht allein den
Clbelftand,die konkrete Einheit des Objektes in ebenfoviele
fymbolilche Ausdrücke aufzuteilen; fie teilen auch die Phi-
lofophie in beftimmte Schulen, von denen jede ihren Pla^
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belegt, ihre Spielmarken wählt und mit den anderen ein
Spiel beginnt, das niemals endet. Entweder iß: die Meta**
phyfik nur ein folches Ideenfpiel, oder aber, wenn fie eine
emfthafte Geiftesarbeit, wenn fie eine Wiffenfchaft und
nicht bloß eine Cymnaftik ift, fo muß fie über die Begriffe
hinaus(chreiten, um zur Intuition zu gelangen. Sicherlich
find ihr die Begriffe unentbehrlich, denn alle anderen
Wiflenlchaften arbeiten zumeift mit Begriffen, und die Me-^
taphyfik würde der anderen Wiffen(chaften nicht entraten
können. Aber fie iß: nur dann ganz fie felbß:, wenn fie über
den Begriff hinausgeht, oder wenigß:ens, wenn fie fich von
den ß:arren und fertigen Begriffen befreit, um Begriffe zu
bilden, die ganz verichieden find von denen, die wir ge-^
v^öhnlich handhaben; ich meine gelchmeidige, bewegliche,
faft flüffige Vorftellungen, die immer bereit find, fich den
flüchtigen Formen der Intuition anzubilden. Wir kommen
fpäter auf diefen wichtigen Punkt zurück. Es mag uns ge-^
nügen, gezeigt zu haben, daß untere Dauer uns unmittelbar
in einer Intuition gegeben, daß fie uns mittelbar durch
Bilder fuggeriert werden kann, daß fie Geh aber nicht -*
wenn man dem Worte Begriff feinen eigentlichen Sinn läßt
— in eine begriffliche Darß:ellung einfangen läßt.
Verfuchen wir einen Augenblick, eine Vielheit aus ihr zu
machen. Man wird zugeben muffen, daß die Glieder diefer
Vielheit, anß:att fich voneinander zu unter(cheiden, wie
die irgendeiner anderen Vielheit, ineinander eingreifen,
daß wir zweifellos durch eine Anftrengung derEinbildungs-^
kraft die einmal verfloffene Dauer feftlegen, fie dann in
nebeneinanderliegende Stücke zerteilen und alle diefe
Stücke zählen können, daß aber diefe Operation fich an
der erftarrten Erinnerung der Dauer vollzieht, an der un-
beweglichen Spur, welche die Bewegtheit der Dauer hin-
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ter Geh läßt, nicht an der Dauer felbft. Wir mfifTen alfo
geftehen, daß, wenn es hier eine Vielheit gibt, diefe Viel-
heit keiner anderen gleicht. Werden wir nun Tagen, daß
die Dauer Einheit hat? Zweifellos hat eine Kontinuität
von (ich ineinander fortfe^enden Elementen ebentoviel
teil an der Einheit wie an der Vielheit; aber diefe beweg-
liche, wechfelnde, bunte, lebendige Einheit hat kaum noch
eine Ähnlichkeit mit der abftrakten, unbeweglichen und
leeren Einheit, welche der reine Begriff der Einheit um-
(chreibt. Werden wir daraus (chließen, daß die Dauer durch
die Einheit und die Vielheit zugleich definiert werden
muß? Aber es ift fonderbar : ich könnte die beiden Begriffe
hin und her drehen, foviel ich wollte, fie quantitativ be-
ftimmen, fie auf verfchiedene Art kombinieren, die fub-
tilften Operationen geiftiger Chemie mit ihnen vornehmen
— niemals wurde ich etwas erhalten, das der einfachen In-
tuition, die ich von der Dauer habe, gleicht. Wenn ich mich
aber ftattdeffen durch eine Aufbietung der Intuition in die
Dauer hineinverfe^e, fo werde ich fogleich gewahr, wie fie
Einheit, Vielheit und noch vieles mehr ift. Jene verfchie-
denen Begriffe waren alfo ebenfoviele äußere Gefichts-
punkte über die Dauer. Weder vereint noch getrennt
ließen fie uns in die Dauer felbft eindringen.
Dennoch dringen wir in fie ein, und dies kann nur durch
eine Intuition fein. In diefem Sinne ift eine innere, abfolute
Erkenntnis der Dauer des Ich durch das Ich felbft möglich.
Aber wenn die Metaphyfik hier eine Intuition verlangt und
erreichen kann, bedarf die WifTenfchaft darum nicht we-
niger einer Analyfe. Und aus einer Vermifchung der Auf-
gaben der Intuition und der Analyfe entfpringen hier die
Diskuffionen zwifchen den Schulen und die Konflikte
Zwilchen den Syftemen.
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EMe Pfychologie geht in der Tat vermittelft Analyle vor
wie die anderen WiflenGchaften. Sie löft das Ich, das ihr
zuerft durch eine einfache Intuition gegeben iß:, in Wahr--
nehmungen, Gefühle, Vorftellungen auf, die fie getrennt
unterzieht. Sie Ribftituiert alfo dem Ich eine Reihe von
Elementen, die die pfychologifchen Tatfachen bilden. Aber
find diefe Elemente gleich Teilen? Dies iß: die ganze
Frage, und nur weil fie umgangen worden ift, ift das Pro-
blem der menfirhlichen Perfönlichkeit oft in Ausdrucken,
die feine Löfung nicht zulaCTen, geftellt worden.
Es ift ui^ftreitbar, daß jeder p^chologilche Zuftand
UoO dadurch, daß er einer Perfon angehört, die Ce-
famtheit einer Perfönlichkeit widerlpiegelt. Es gibt keine
Empfindung, fo einfach fie auch fei, die nicht virtuell die
Vergangenheit und die Gegenwart des Wefens, das fie
empfindet, einfchlöfle, die fich davon trennen und einen
„Zuftand" bilden könnte, es fei denn durch eine Aufbie-
tung der^ftraktion oder Analyfe. Aber es ift nicht weniger
unbeftreitbar, daß es ohne diefe Aufbietung der Abftrak-
tion oder Analyfe keine mögliche Entwicklung der pfycho-
logi(chen Wiflenfchaft geben würde. Worin befteht nun
das Verfahren, durch das der Pfychologe einen pfycholo-
gießen Zuftand ablöft, um ihn als mehr oder weniger
felbftandige Wefenheit aufzuftellen? Er beginnt damit,
die befondere Färbung der Perfon zu übergehen, die fich
nicht in bekannten und allgemeinen Ausdrücken wieder-
geben ließe. Dann bemüht er fich, an der Ichon auf diefe
Weife vereinfachten Perfon diefen oder jenen AFpekt, der
eine intereffante Unterfuchung verfpricht, zu ifolieren.
Wenn es fidi z. B. um Zuneigung handelt, fo wird er die
unausdrückbare bhiance, die fie färbt und die macht, daß
meine Zuneigung nicht die deine ift, beifeite laffen; dann
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wird er ßch an die Bewegung heften, mit der untere Per-*
fönlichkeit fich auf einen beftimmten Gegenftand rieh--
tet: er wird diete Attitüde ifolieren, und diefen befonderen
Atpekt der Perfon, diefen Geßchtspunkt Ober die Beweg-
lichkeit des Innenlebens, diefes „Schema'' der konkreten
Zuneigung wird er als felbftändige Tatfache aufftellen. Es
ift das eine Arbeit analog der eines Kunftlers, der, vorüber-
gehend in Paris, z. B. eine Skizze eines Turmes von Notre-
Dame machen würde. Der Turm ift unzertrennlich mit
dem Gebäude verbunden, das wieder ebenfo unzertrenn-
lich mit dem Boden, mit der Umgebung, mit dem ganzen
Paris verbunden iß:. Er muß ihn zunachft ablöfen: er wird
} von dem Gefamtbild nur eine beftimmte Anßcht fefthalten,
die eben diefer Turm von Notre-Dame iß:. Nun ift femer
der Turm in Wirklichkeit aus Steinen gebildet, deren be-
fondere Gruppierung dasjenige ift, was ihm die Form gibt;
doch der Zeichner intereffiert ßch nicht für Steine, er hält
nur die Silhouette des Turmes feß:. Er erfefet alfo die reale
und innerliche Organifation des Dinges durch eine äußer-
liche und (chematilche Wiedergabe. Auf diese Weife ent-
fpricht feine Zeichnung im ganzen einem beftimmten Ge-
ßchtspunkt über das Objekt und der Wahl einer beftimm-
ten Darftellungsart. Ganz dasfelbe nun ift es mit dem
Verfahren, durch das der Pfychologe einen pfychologilchen
Zuftand aus der Gefamtheit einer Perfon herauszieht. Die-
fer ifolierte pfychologifche Zuftand ift kaum mehr als eine
Skizze, ein Anfa^ zu einer künftlichen Rekonftruktion; aber
er ift das Ganze unter einem beftimmten elementaren
Aspekt, für den ein befonderes Intereffe da war, den man
feftzuhalten unternommen hat. Dies ift kein Teil, fondem
ein Element. Es ift nicht durch Zerftückelung gewonnen,
fondem durch Analyfe.
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Nun wird unter alle in Paris aufgenommenen Skizzen der
Fremde zweifellos „Paris" als Erinnerungszeichen fe^en.
lind da er Paris in Wirklichkeit gefehen hat, wird er im-^
ftande fein, von der urfprGnglichen Intuition des Ganzen
ausgehend feine Skizzen darin unterzubringen und Ge fo
wieder miteinander zu verbinden. Aber es befteht keine
Möglichkeit, das umgekehrte Verfahren auszufuhren; es
iß: unmöglich, felbß: mit einer Unzahl von noch fo genauen
Skizzen, TelbR: mit dem Wort „Paris", als Anweifung, daß
fie untereinander zu verbinden find, zu einer Intuition, die
tnan nicht gehabt hat, emporzufteigen und Geh den Ein-^
druck von Paris zu fchaffen, wenn man Paris nicht gefehen
hat. Dies kommt daher, daß man es hier nicht mit Teilen
des Ganzen zu tun hat, fondem mit Zeichen vom Ganzen.
Um ein noch (chlagenderes Beifpiel, einen Fall, wo das
Zeichen noch vollftändiger TymboliCrh iß:, zu wählen, fei
angenommen, daß die Buchftaben, die zum Aufbau eines
mir unbekannten Gedichtes gehören, aufs Geratewohl
durcheinander gemilcht mir geboten werden. Wenn die
Buchß:aben Teile des Gedichtes waren, könnte ich ver-
fuchen, es aus ihnen wieder herzuftellen, indem ich alle
möglichen verfchiedenen Zurammenftellungen probierte,
wie es das Kind mit den Steinen eines Geduldfpieles
tut. Aber darauf werde ich keinen Augenblick kommen,
weil die Buchß:aben keine Beftandteile, fondem Aus-^
drucksteile find, was etwas völlig anderes ift. Daher
fefte ich, wenn ich das Gedicht kenne, gleich jeden der
Buchftaben an die Stelle, die ihm zukommt und verbinde
fie wieder ohne Schwierigkeit durch eine fortlaufende
Linie, wahrend das umgekehrte Verfahren unmöglich iß:.
Selbft wenn ich glaube, den Verfuch diefes umgekehrten
Verfahrens zu machen, felbft wenn ich die Buchftaben
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aneinander reihe ^ fange ich damit an, mir eine plaufible
Bedeutung vorzuftellen: ich rufe alfo eine Intuition in mir
hervor, und von diefer Intuition verfuche ich wieder zu
den elementaren Symbolen herabzufteigen, welche ihren
Ausdruck bilden könnten. Schon der Gedanke, das Ob--
jekt durch einzig mit fymbolißrhen Elementen ausgeführte
Operationen wieder zufammenzufe^en, fuhrt eine folche
Abfurditat mit ßch, daß er niemandem in den Sinn käme,
wenn man fich Rechenfchaft darüber gäbe, daß man es
nicht mitFragmenten desCegenftandes, fondem Tozufagen
mit §vTT^^lnlf^fl9mentp^^ zu tun hat.
Und doch ift dies das Beginnen der Philofophen, welche
die Perfönlichkeit vermittelft pfychologilcher Zuftände zu
rekonlhuieren fuchen, fei es, daß Ge fich an die Zuftände
felbft halten, fei es, daß fie einen Faden dazufugen, der die
Zuftände untereinander zufammenhalten Toll. Empiriften
und Rationaliften unterliegen hier derfelben Täuichung.
Die einen wie die anderen nehmen die partielle Be-
zeichnung für wirkliche Teile und bringen so den Ge-
fichtspunkt der Analyfe und den der Intuition, die exakte
Wiffenichaft und die Metaphyfik, durcheinander.
Die erfteren tagen mit Recht, daß die pfychologilche Ana-
lyfe nichts weiter in derPerfon entdeckt als pfychologiCche
Zuftände. Und dies ift allerdings die Funktion, ja, dies ift
fogar die Definition der Analyfe. Der Pfychologe hat
nichts anderes zu tun als die Perfon zu analyfieren, d. h.
Zuftände zu verzeichnen: höchftens wird er über diefe
Zuftände die Rubrik „Ich" fe^en und fagen, daß dies „Zu-
ftände des Ich" find, gerade wie der Zeichner das Wort
„Paris" auf jede feiner Skizzen fchreibt. Auf dem Gebiet,
auf dem der Pfychologe feine Stellung nimmt, ift das „Ich"
nur ein Zeichen, durch welches die anfangliche (übrigens
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fehr wirre) Intuition zurGckgenifen wird, die der Pfycho-
logie ihr Objekt geliefert hat: es ift nur ein Wort, und der
große Irrtum iß: der, zu glauben, daß man auf demfelben
Gebiet verbleibend hinter dem Wort eine Sache finden
könnte. Dies ift der Irrtum derjenigen Philofophen gewefen,
die (ich nicht damit haben begnügen können, einfache Pfy--
chologen der Pfychologie zu fein, Taine und Stuart Mill z. B.
Obwohl Ge Pfychologen find durch die Methode, die fie
anwenden, Gnd Ge MetaphyGker geblieben durch den
Gegenftand, den Ge Geh fefeen. Sie fuchen eine Intuition,
und durch eine feltfame Inkonrequenz fordern Ge diefe In--
tuition von der Analyfe, die gerade deren Negation ift. Sie
fuchen das Ich und behaupten es in den pfychoIogilchenZu''
ftänden zu finden, wahrend doch diefe Mannigfaltigkeit
von plychologilchen Zuftänden nur dadurch zu erhalten
war, daß man Geh ausdemIchherausverfefete,umvon der
Perfon eine Reihe mehr oder weniger ßrhematilcher und
fymbolilcher Skizzen, Aufzeichnungen, Darftellungen auf-
zunehmen. So können Ge wohl Zuftände neben Zuftände
ftellen, ihre Berührungspunkte vervielfältigen, ihre Zwi-
ßrhenglieder erforfchen, das Ich entfchlüpft ihnen immer
— fo Geher, daß Ge fchließlich nur noch ein leeres Phantom
in ihm fehen. Mit demfelben Recht könnte man leugnen,
daß die Ilias einen Sinn hat, indem man angibt, daß man
diefen Sinn vergebens in den Intervallen der Buchftaben,
aus denen Ge zufammengefe^t ift, gefucht hat.
Der philofophißrhe Empirismus ift alfo hier aus einer Ver-
wechflung zwißrhen den GeGchtspunkten der Intuition und
der Analyfe entftanden. Er befteht darin, das Original in
der Qberfe^ung zu fuchen, wo es naturgemäß nicht fein
kann, und dann das Original unter dem Vorwand zu leug-
nen, daß man es in der Qberfe^ung nicht findet. Er läuft
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notwendigerweife auf Negationen hinaus; aber bei nähe-
rem Hinfehen wird man gewahr, daß diefe Negationen
einfach bedeuten, daß die Analyfe nicht die Intuition ift
— was an Reh felbft evident ift. Von der urtprunglichen
und übrigens unklaren Intuition, die der Wiflenfchaft ihren
Cegenftand liefert, geht die WifTenfchaft fofort zur Ana-^
lyfe Ober, welche die GeRchtspunkte über diefen Cegen-
ftand bis ins Endlofe vermehrt. Sie kommt fehr fchnell zu
dem Glauben, durch ZuFammenfugen aller diefer GeRchts-
punkte den Gegenftand rekonftruieren zu können. Ift es
da zu verwundem, daß Re diefen Gegenftand vor Reh ent-
fliehen Reht *-* wie ein Kind, das Reh aus Schatten, die an
den Wanden entlang laufen, ein feftes Spielzeug zimmern
wollte?
Der Rationalismus aber unterliegt derfelben Taufchung.
Er geht von der Verwechflung aus, die der Empirismus
begangen hat, und bleibt ebenfo unfähig wie diefer, die
Perfönlichkeit zu ergreifen. Ebenfo wie der Empirismus
nimmt er die pfychologifchen Zuftande für ebenfoviele
Bruehftüeke, die von einem Ich losgelöft Rnd, das Re
wieder vereinigen würde. Ebenfo wie der Empirismus
fucht er diefe Bruehftüeke miteinander zu verbinden, um
die Einheit der Perfon wiederherzuftellen. Wie der Em-
pirismus endlich Reht er die Einheit der Perfon, in dem
unaufhörlich erneuten Bemühen Re zu erfaffen, wie ein
Phantom ins Unbeftimmte entfchwinden. Wahrend aber
der Empirismus endlich kampfesmüde erklart, daß es nichts
anderes gibt als die Vielheit der p^chologifchen Zu-
ftande, beharrt der Rationalismus darauf, die Einheit der
Perfon zu behaupten. Allerdings bleibt ihm, da er diefe
Einheit im Bereich der pfychologifchen Zuftande felbft
fucht und übrigens genötigt ift, alle Eigenfchaften und Be-
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(timmtheiten, die er bei der Analyre findet, auf Rechnung
der prychologifchen Zuftände zu fe^en (denn die Analyfe
läuft ihrem Wefen nach immer auf Zuftände hinaus), für
die Einheit derPerfon etwas rein Negatives, die Abweren-
heit jeder Beftimmtheit übrig. Da die ptychologilchen Zu-
ftände notwendig in diefer Analyfe alles das ergriffen und
für Geh behalten haben, was noch den geringften Anichein
von materialem Gehalt bietet, fo wird die „Einheit des
Ich" nur noch eine Form ohne Inhalt fein können. Sie wird
die abfolute Beftimmungslofigkeit und Leere fein. Den
losgelöften pfychologifchen Zuftänden, diefen Schatten des
Ich, deren Anfammlung denEmpiriften das Äquivalent der
Perfon bedeutete, fugt der Rationalismus, um die Perfön--
lichkeit wieder herzuftellen, etwas noch Irrealeres hinzu:
die Leere, in der diefe Schatten fich bewegen, den Ort der
Schatten, könnte man fagen. Wie könnte diefe „Form", die
in Wahrheit formlos ift, eine lebende, handelnde, konkrete
Perfönlichkeit charakteriHeren, und Peter von Paul unter-
Icheiden lalfen? Ift es zu verwundem, daß die Philofophen,
die diefe „Form" von der Perfönlichkeit ifoliert haben, Ge
nachher unfähig finden, eine Perfon zu beftimmen, und
daß fie Schritt für Schritt dazu gebracht werden, aus ihrem
leeren Ich einen unergründlichen Behälter zu machen, der
Paul nicht mehr gehört als Peter und in dem, je nach Be-
lieben Plaft für die ganze Menichheit oder für Gott oder
für die Exiftenz im allgemeinen ift? Ich fehe hier zwilchen
dem Empirismus und dem Rationalismus nur diefen einen
Unterfchied, daß der erftere, indem er die Einheit des Ich
gewiffermaßen in den Zwilchenräumen derpfychologilchen
Zuftände fucht, dahin geführt wird, die Zwilchenräume
mit anderen Zuftänden zuzußrhütten und fo immer endlos
weiter, fo daß das Ich, in ein fich immer verkleinerndes In-
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tervall eingeengt, in dem Maße zum Nullpunkt hinftrebt,
in dem die Analyfe weitergetrieben wird ^ während der
Rationalismus, indem er aus dem Ich den Ort macht, wo
die Zuftande wohnen. Geh einem leeren Raum gegenüber
Geht, den man aus keinem Grunde hier mehr als dort
aufhören, zu laflen berechtigt ift, der jede der Grenzen
Oberlchreitet, die man ihm rukzelGve anzuweifen fucht,
der immerfort an Ausdehnung zunimmt und nicht mehr
im Nullpunkt, fondem im Unendlichen Geh zu verlieren
ftrebt.
DerAbß:andzwi{cheneinemvorgebIichen„Empirismus'Vie
dem von Taine und den transzendenteren Spekulationen
gewifler deutläer Pantheiften iß: alfo viel weniger groß,
als man ihn annimmt. Die Methode ift in beiden Fällen
analog: Ge befteht darin, die Elemente der Oberfe^ung
zu behandeln, alsobGe Teile desOriginalswären. Ein wah-
rer Empirismus jedoch iß: ein folcher, der darauf ausgeht,
das Original felbß fo nah wie möglich heranzuziehen, fein
Leben zu ergründen und durch eine Art intellektueller
Auskultation feine Seele pochen zu fühlen; und diefer
wahre Empirismus iß: die wahre MetaphyGk. Allerdings iß:
die Arbeit von einer äußerß:en Schwierigkeit, weil keine
der fertigen Auffaflungen, deren Geh der Gedanke für feine
tägliche Tätigkeit bedient, hier mehr nü^en kann. Nichts
iß: leichter, als zu behaupten, daß das Ich Vielheit iß: oder
daß es Einheit iß: oder daß es die Synthefe von beiden iß:.
Einheit und Vielheit Gnd hier Vorß:ellungen, die man nicht
auf den Gegenftand zuzulchneiden braucht, die man Ichon
angefertigt vorGndet und die man nur aus einem Haufen
auszufuchen braucht — Konfektionskleider, die Paul eben-
fogut wie Peter paflen werden, weil Ge die Geß:alt keines
der beiden nachzeichnen. Ein Empirismus aber, der diefes
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Namens würdig ift, ein Empirismus, der nur nach Maß
arbeitet, ßeht Geh genötigt, für jeden Gegenftand, den er
ftudiert, eine abfolut neue Arbeit zu liefern. Er Krhneidet
für den Gegenftand einen Begriff zurecht, der diefem
Gegenftand allein angepaßt ift, einen Begriff, von dem
man kaum Tagen kann, daß er noch ein Begriff ift, weil er
fich nur auf dies eine Ding anwenden läßt. Er geht nicht
mit Hilfe von Gedankenkombinationen vor, die man im
Handel findet, Einheit und Vielheit z.B.; Tondem dieVor-
ftellung, zu der er uns hinleitet, ift im Gegenteil eine in
ihrer Art einzige einfache Vorftellung, von der man übri-
gens, wenn fie einmal gebildet ift, fehr gut begreift, warum
fie Geh in die Rahmen Einheit, Vielheit ufw., die alle viel
weiter Gnd als Ge, einftellen läßt. Kurz, die fo definierte
Philofophie befteht nicht darin, zwifchen den Begriffen zu
wählen und Partei für eine Schule zu ergreifen, Tondem
darin, eine Intuition, die einzig iß:, zu Tuchen, von der man
zu den verß^iedenen Begriffen gleich gut wieder hinab-'
fteigen kann, weil man Geh über die Scheidungen der Schu-
len geftellt hat.
Daß die Perfönlichkeit Einheit hat, ift Geher; aber eine der-
artige Behauptung lehrt mich nichts über die beTondere
Natur derjenigen Einheit, welche die PerTon iß:. Daß unTer
Ich vielfach iß, gebe ich gleichfalls noch zu; aber es iß das
eine Vielheit, von der man durchaus erkennen muß, daß
Ge nichts mit irgendeiner anderen gemein hat. Was in
Wahrheit für die PhiloTophie wichtig iß, das iß, zu wiffen,
welche Einheit, welche Vielheit, welche dem abftrak-
ten Einen und Vielen überlegene Realität die vielfache
Einheit der PerTon iß. Und Ge wird es nur wilTen können,
wenn Ge die einfache Intuition des Ich durch das Ich wieder-
ergreift. Dann wird Ge, je nach dem Abhang, welchen Ge
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\^ählt, um \^ieder von dierem Gipfel herabzufteigen, zur
Einheit oder zur Vielheit gelangen, oder zu irgendeinem
der Begriffe, durch Vielehe man das Geh bewegende Leben
der Perfon zu definieren verfucht. Aber keine Mifchung
diefer Begriffe miteinander, wir wiederholen es, würde
etwas ergeben, das der Perfon, welche dauert, gleicht.
Wenn ich einen feften konilchen Körper vor mir habe, fo
fehe ich ohne weiteres, wie er gegen die Spi^e zu Geh ver-
jüngt und mit einem mathematiß^hen Punkt zurammenzu-
fallen ftrebt und wie er Geh an feiner Bads in einen Geh
ins Unbeftimmte vergrößernden Kreis erweitert. Aber
weder der Punkt, noch der Kreis, noch die Nebeneinan-
derordnung beider auf einer Ebene werden mir die min-
derte Idee von einem konifchen Körper geben. Ebenfo ift
es mit der Vielheit und der Einheit des prychologiG::hen •
Lebens. Ebenfo mit dem Nullpunkt und dem Unendlichen,
zu denen Empirismus und Rationalismus die Perfönlichkeit
hinfuhren.
Die Begriffe treten, wie wir nachher zeigen werden, ge-
wöhnlich paarweife auf und repräfentieren zwei Gegen-
fä^e. Es gibt kaum eine konkrete Wirklichkeit, über die
man nicht zugleich zwei entgegengefe^te AnGchten ver-
treten könnte und die Geh nicht infoIgedelTen auf diefe bei-
den widerftreitenden Begriffe bringen ließe. Daher ent-
gehen eine Thefe und eine Antithefe, die man vergebens
logilch zu verföhnen fuchen möchte, aus dem fehr einfachen
Grunde, daß Geh niemals aus Begriffen oder GeGchtspunk-
ten ein Ding machen läßt. Von dem durch Intuition er-
griffenen Objekt aber gelangt man in vielen Fällen ohne
weiteres zu den zwei entgegengefe^ten Begriffen und da
man auf diefe Weife aus der Wirklichkeit die Thefe und
die Antithefe hervorgehen Geht, erfaßt man auf einen
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Schlag, wie diereThefe unddiefe Antithefe einanderwider-
ftreiten und \^ie (ie Geh verröhnen.
Dazu muß man allerdings an eine Umv^alzung der üb-'
liehen intellektuellen Arbeit gehen. Denken befteht ge-*
wohnlich darin, von den Begriffen zu den Dingen zu ge-*
langen und nicht von den Dingen zu den Begriffen. Eine
Realität erkennen heißt, im gebräuchlichenSinne des Wor-*
tes »erkennen«: G:hon fertige Begriffe nehmen, Ge quanti-
tativ beftimmen und Ge miteinander kombinieren, bis man
ein brauchbares Äquivalent des Wirklichen erhält. Aber
man darf nicht vergeffen, daß die normale Arbeit des In-
tellekts weit davon entfernt ift, eine „unintereflierte" Ar-
beit zu fein. Im allgemeinen trachten wir nicht zu erkennen,
um zu erkennen, Töndem zu erkennen, um eine Partei zu
ergreifen, um einen Vorteil daraus zu ziehen, kurz um ein '
InterelTe zu befriedigen. Wir unterfuchen, bis zu welchem
Punkt das zu erkennende Objekt dies oder jenes ift, in
welche bekannte Art es Geh einordnet, zu welcher Art der
Handlung, des Vorgehens oder der Haltung es uns be-
ftimmen foll. Diefe verfchiedenen mögliehen Handlun-
gen und Haltungen Gnd ebenFoviele begriffliche Rieh-
tungen unferes Denkens, die ein für allemal beftimmt
Gnd; es bleibt nichts mehr zu tun, als ihnen zu folgen; ge-
nau darin befteht die Anwendung der Begriffe auf die
Dinge. Einen Begriff an einem Gegenftandverruehen, heißt
den Gegenftand befragen, was wir mit ihm machen kön-
nen, was er für uns tun kann. Ein Objekt mit einem Be-
griffe etikettieren heißt: in beftimmten Ausdrucken die Art
der Handlung oder Haltung feftlegen, zu der das Objekt
uns veranlalTen foll. Jede Erkenntnis im gebräuchlichen
Sinne ift alfo in einer beftimmten Richtung orientiert oder
von einem beftimmten GeGchtspunkt gewonnen. Aller-
es
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dings ift unrer InterelTe häufig ein vielfältiges. Und daher
kann es gefijiehen, daß v^ir unfere Erkenntnis desfelben
Gegenftandes nach mehreren Richtungen hintereinander
orientieren und daß wir die Gefichtspunkte darüber ver-
ändern. Hierin befteht, im üblichen Sinn diefer Ausdrücke,
eine „weite" und „umfallende" Erkenntnis des Gegen-
ftandes: der Gegenftand ift dann nicht auf einen einzigen
Begriff, fondern auf mehrere Begriffe zurückgeführt, an
denen er, wie wir annehmen, „teil hat". In welcher Weife
hat er an allen diefen Begriffen zugleich teil? Dies iß: eine
Frage, welche die Praxis nichts angeht und die man Geh
nicht zu ftellen hat. Es iß: alfo natüiUch und gerechtfertigt,
daß wir im gewöhnlichen Leben vermittelft Nebeneinan-
derßellung und quantitativer Zuteilung von Begriffen vor-
gehen; es wird hieraus keine philofophißrhe Schwierigkeit
entßehen, weil wir uns durch ßillfchweigende Übereinkunft
enthalten, zu philofophieren. Diefen modus operandi aber
auf die Philofophie übertragen, auch hier noch von den
Begriffen zur Sache gehen, für die unintereflierte Erkennt-
nis eines Objektes, das wir je^t doch in (ich felbß zu erfaffen
ftreben, eine Art des Erkennens benO^en, die Geh an einem
beftimmten Intereffe infpiriert und die ihrem Begriffe nach
darin beßeht, daß man von außen eine ÄnGcht des Ob-
jekts gewinnt — das heißt dem Ziel, das man Geh fefet,
zuwiderhandeln, das heißt die Philofophie zu einer ewigen
Plänkelei zwifijien den Schulen verdammen, das heißt den
Widerfpruch mitten ins Herz der Sache und der Methode
verfemen. Entweder es ift keine Philofophie möglich und
alle Erkenntnis der Dinge iß eine praktißJie Erkenntnis,
die auf einen aus ihnen zu ziehenden Vorteil gerichtet ift,
oder philofophieren beßeht darin. Geh durch eine Aufbie-
tung der Intuition in das Objekt felbß zu verfefeen.
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lim aber die Natur dierer Intuition zu verftehen, um ge-
nau zu beftimmen, \^o die Intuition aufhört und v^o die
Analyfe beginnt, muß auf das zurückgegriffen werden, was
oben von dem Verlauf der Dauer gefagt wurde.
Man wird bemerken, daß es ein wefentliches Charakterifti-
kum der Begriffe und Schemata, auf welche die Analyfe
hinausläuft, ift, unveränderlich zu fein, während man Ge be-
trachtet. Ich habe von dem Ganzen des Innenlebens die
pfychologiiche Wefenheit losgelöft, welche ich eine ein-
facheWahmehmung nenne. Solange ich Ge ftudiere, nehme
ich an, daß Ge bleibt, was Ge ift. Wenn ich irgendeine Ver-
änderung an ihr fände, würde ich fagen, daß hier keine
einzelne Wahrnehmung vorliegt, fondern mehrere Wahr-
nehmungen nacheinander, und auf jede diefer rukzefliven
Wahrnehmungen würde ich dann die Unveränderlichkeit
übertragen, die ich vorher jener Wahrnehmung als Gan-
zem zuerkannt habe. Ich kann — auf welche Weife auch
immer — wenn ich die Analyfe weit genug treibe, zu Ele-
menten gelangen, welche ich für unveränderlich halten
werde. Hier und nur hier werde ich die fefte Operations-
baGs finden, deren die Wiffenßiiaft zu ihrer eigenen Ent-
wicklung bedarf.
Dennoch gibt es keinen feeliß^hen Zuftand, fo einfach er
auch fei, der nicht jeden AugenbKck wechfelt, da es kein
Bewußtfein ohne Gedächtnis gibt, keine Fortfefeung eines
Zuftandes ohne die Addition der Erinnerung der vergange-
nen Momente zur gegenwärtigen Empfindung. Darin be-
fteht die Dauer. Die innere Dauer ift das fortlaufende
Leben einer Erinnerung, welche die Vergangenheit in die
Gegenwart fortfefet, mag die Gegenwart das unaufhör-
lich wachfende Bild der Vergangenheit deutlich enthalten,
oder mag Ge vielmehr durch ihren fortwährenden Quali-
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tätswechrel von der immer fchwerer \^eTdenden Laß: zeu-
gen, die \^ir hinter uns her G:hleppen und die in dem Maße
zunimmt, in dem wir altern. Ohne dies Fortleben der Ver-
gangenheit in der Gegenwart gäbe es keine Dauer, Ton-
dem nur Augenblicksexiftenz.
Allerdings werde ich, wenn man mir vorwirft, daß ich den
prychoIogiß:hen Zuftand Krhon durch die bloße Tatfache,
daß ich ihn analyfiere, der Dauer entziehe, mich dagegen
verteidigen, indem ich Tage, daß jeder diefer elementaren
prychologifchen Zuftande, auf die meine Analyfe hinaus-
läuft, ein Zuftand ift, der noch Zeit einnimmt. „Meine
Analyfe", werde ich Tagen, „löft wohl das ganze Leben in
Zuftande auf, von denen jeder Geh Telbft homogen ift; nur,
da die Homogeneität (ich auf eine beftimmte Anzahl von
Minuten oder vonSekunden erftreckt, hört der elementare
prychologiß:he Zuftand nicht auf zu dauern, auch da nicht,
wo er nicht wechfelt."
Aber wer Geht nicht, daß die beftimmte Anzahl von Mi-
nuten und Sekunden, die ich dem elementaren pFychologi-
fchen Zuftand zuß^reibe, gerade eben den Wert eines
Merkmals hat, das beftimmt ift, mich daran zu erinnern,
daß der als homogen angenommene pFychologithe Zu-
ftand in Wirklichkeit ein Zuftand ift, der wechfelt und der
dauert? Der Zuftand in Geh felbft genommen ift ein un-
aufhörliches Werden. Ich habe aus diefem Werden eine
gewifle durchßrhnittliche Beftimmtheit extrahiert, die ich
als unveränderlich angenommen habe: ich habe auf diefe
Weife einen ftabilen und eben dadurch Ichematilchen Zu-
ftand konftituiert. Ich habe andererTeits daraus das Wer-
den im allgemeinen extrahiert, das Werden, das nicht
mehr das Werden von diefem als von jenem wäre, und
diefes habe ich die Zeit genannt, die diefer Zuftand aus-
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füllt. Bei genauer Betrachtung wGrde ich gewahren, daß
diefe abftrakte Zeit ebenFo unbeweglich für mich ift, wie
der Zuftand, den ich in ihr lokalißere, daß de nur durch
einen fortwährenden Wechfel der Qualität verfließen
könnte und daß fie, wenn Ge ohne Qualität, wenn Ge der
bloße Schaupla^ des Wechfeh ift, dadurch ein unbeweg-^
liches Milieu wird. Ich wurde fehen, daß die Hypothefe
diefer homogenen Zeit einfach beftimmt iß:, den Vergleich
Zwilchen den verß^hiedenen konkreten Dauern zu erleich-
tem, uns zu erlauben, Gleichzeitigkeiten zu berechnen und
einen Dauerveitauf durch Beziehung auf einen anderen zu
meflen. Und fchließlich wurde ich begreifen, daß ich, in-
dem ich die VorfteUung eines elementaren pfychologißrhen
Zuftandes mit der Bezeichnung einer beftimmten Anzahl
von Minuten und Sekunden verbinde, lediglich daran er-
innere, daß der Zuftand von einem dauernden Ich losgelöft
worden ift, und die Stelle abgrenze, wo er wieder in Be-
wegung gefegt werden müßte, um von dem einfachen Sche-
ma, zu dem er geworden ift, wieder auf die konkrete Form
zurückgeführt zu werden, die er vorher hatte. Aber ich ver-
gefTe all dies, da ich es in der Analyfe nicht brauchen kann.
Das bedeutet, daß die Analyfe immer mit dem Unbeweg-
lichen arbeitet, während die Intuition Geh in die Beweg-
lichkeit oder — was auf dasfelbe herauskommt — in die
Dauer verfemt. Hier ift die ganz genaue Grenzlinie zwifchen
der Intuition und der Analyfe. Man erkennt das Reale, das l
Gelebte, das Konkrete daran, daß es die Veränderlichkeit
felbft ift. Man erkennt das Element daran, daß es unver-
änderlich ift. Und es ift feinem Begriff nach unveränder-
lich, da es ein Schema, eine vereinfachte Rekonftruktion,
ofl: ein bloßes Symbol, in jedem Fall eine bloße Anficht
von der verfließenden Realität ift.
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Aber der Irrtum ift der, zu glauben, daß man mit diefen
Schematen das Reale wieder aufbauen könnte. Wir können
es nicht genug wiederholen: von der Intuition kann man
zur Änalyfe gelangen, aber nicht von der Analyfe zur In-*
tuition.
Aus der Verändeilichkeit kann ich fo viele Variationen, fo-
viele Eigenfchaften oder Modifikationen bilden, wie mir
beliebt, weil dies ebenfoviele unveränderliche, durch die
Analyfe aufgenommene An fichten von der der Intuition
gegebenen Beweglichkeit find. Aber diefe aneinanderge-
reihten Modifikationen werden nichts zuftande bringen,
was der Veränderlichkeit gleicht, weil fie keine Teile, fon-
dem Elemente von ihr waren, was etwas ganz anderes ift.
Betrachten wir z. B. die Veränderlichkeit, die der Homo-
geneität am nächften ift, die Bewegung im Raum. Ich kann
mir an diefer Bewegung, ihrer ganzen Ausdehnung nach,
mögliche Stillftändevorftellen: dasjenige, was ich die Lagen
des Beweglichen nenne oder die Punkte, durch die das Be-
wegliche hindurchgeht. Aber mit Lagen, wenn fie auch in
unendlicher Anzahl gegeben wären, werde ich keine Be-
wegung bilden. Sie find nicht Teile der Bewegung; fie
find ebenfoviele von ihr genommene Anfichten: fie find—
könnte man Tagen — nur Möglichkeiten von Stillftänden.
Niemals ift das Bewegliche wirklich in einem der Punkte;
höchftens kann man Tagen, daß es durch ihn hindurchgeht.
Aber das Hindurchgehen, das eine Bewegung ift, hat nichts
gemein mit einem Stillftand, welcher Unbewegtheit ift.
Eine Bewegung könnte nicht auf eine Unbeweglichkeit
bafiert Tein; denn dann würde fie mit ihr zuTammenfallen,
was ein>X^derTpruch wäre. Die Punkte find nicht in der Be-
wegung wie Teile, noch auch unter der Bewegung wie
die Orte des Beweglichen. Sie find einfach durch uns unter
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die Bewegung projiziert wie ebenfoviele Orte, wo — wenn
es ftiUftände — ein Bewegliches Geh befinden wurde, das
derVorausre^ung nach nicht ftillfteht. Es Gnd alFo nicht im
eigentlichen Sinne Lagen, Tondem Unterlegungen, An-
lichten oder Gelichtspunkte des Geiftes. Wie könnte man
aus Gelichtspunkten ein Ding bilden?
Und dennoch ift es dies, was wir jedesmal zu tun verfuchen,
wenn wir über die Bewegung reflektieren und auch über
die Zeit, zu deren Darfteilung die Bewegung dient. Durch
eine tief in unferen Geift eingewurzelte Taufchung und
dadurch, daB wir uns nicht enthalten können, die Änalyfe
als der Intuition gleichwertig zu betrachten, unterfcheiden
wir zunächft durch die ganze Bewegung hin eine gewiffe
Anzahl von möglichen Stillftanden oder von Punkten, aus
denen wir ohne weiteres Teile der Bewegung machen»
AngeGchts unferer Unfähigkeit, die Bewegung aus diefen
Punkten wieder zufammenzufe^en, Gehalten wir noch mehr
Punkte ein, da wir glauben, fo an das, was an Beweglichkeit
in der Bewegung enthalten ift, näher herankommen zu
können. Dann, da die Beweglichkeit uns immer noch ent-
Ichlupft, fubftituieren wir einer endlichen und begrenzten
Anzahl von Punkten eine „unendlich anwachfende" Zahl,
^ und verfuchen fo, jedoch vergeblich, durch die Bewegung
unferes Denkens, welche ins Unbegrenzte die Addition von
Punkten fortfe^t, die wirkliche und ungeteilte Bewegung
des Beweglichen nachzumachen. Schließlich fagen wir, daß
die Bewegung Geh aus Punkten zufammenfe^t, daß Ge aber
außerdem den dunklen geheimnisvollen Übergang einer
Lage in die folgende Lage in Geh begreift. Als ob die Dun--
kelheit nicht einzig und allein daraus hervorginge, daß man
die Unbeweglichkeit für klarer als die Beweglichkeit, den
Stillftand für früher als die Bewegung gehalten hati Als ob
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das Geheimnis Geh nicht daher fchriebe, daß man auf dem
Wege der Zufammenfe^ung von den Stillftanden zur Be-
wegung zu gehen unternimmt, was unmöglich itt, wahrend
es fo leicht ift, durch einfaches Vermindern von der Be-
wegung zur Verlangfamung und zur Unbeweglichkeit zu
gelangen! Man tollte Geh gewöhnen, in der Bewegung das
Einfachfte und Klarfte zu fehen, was es gibt, da die Unbe-
weglichkeit nur die außerfte Grenze der Verlangfamung
der Bewegung iß:, eine vielleicht bloß gedachte Grenze, die
niemals in der Natur realiGert ift. Man hat die Bedeutung
des Gedichtes in der Form der Buchftaben gefucht, aus
denen es zufammengefe^t ift; man hat geglaubt, indem
man eine wachfende Anzahl von Buchftaben in Rechnung
ftellte, endlich die immer entfliehende Bedeutung des Ge-
dichtes ergreifen zu können, und in der Verzweiflung
daran, als man fah, daß es unnü^ war, einen Teil des Sinnes
in jedem der Buchftaben zu fuchen, hat man angenommen,
daß zwiGJien jedem der Buchftaben und dem darauf fol-
genden der gefuchte Teil des geheimnisvollen Sinnes
wohnte! Aber noch einmal: die Buchftaben Gnd keine
Teile der Sache, Ge Gnd Elemente des Symbols. Noch ein-
mal: die Lagen des Beweglichen Gnd nicht Teile der Be-
wegung: Ge Gnd Punkte des Raumes, von dem angenom-
men wird, daß er die Unterlage der Bewegung ift. Diefer
unbewegliche und leere, nur im Begriff, nie in der An-
fchauung exiftierende Raum hat genau den Wert eines
Symboles. Wie könnte man, indem man mit Symbolen
etwas vornimmt, Wirklichkeit hervorbringen?
Aber das Symbol entfpricht hier den eingewurzeltften Ge-
wohnheiten unferes Denkens. Wir verfemen uns gewöhn-
lich in die Unbewegtheit — in der wir einen Stü^punkt für
die Praxis finden — und wir ftreben die Bewegtheit ver-
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mitfeflft ihrer wieder zurdmtnetizure^en. Wir erhalten fo
nur eine tfnifefchickte Ha^dhmiung, eine Fd^tin^ der
wirkfichen Bewegunsr, Aer diefe Ndditaffintmg dient uni
im Leben viel ttttht db die Ifttotfiörif des Dinges (etbft. Nun
htA unter Ge^ eine ünwiderftehti<^ Neige^z cfiefen^
Idee fut llarer M halten, die ihtä afn häufigft^n dient. Da^r--
um erBieint ihm die Unbev^eglid^ett klarer ab die Be--
wegÜchkeity dti StiARftfnd froher äk ^ Bewegung.
Die SchwierigkerteYiy die d6s Problem der Bewefi^g Fett
detn gmi fröheh ^tertütrt erzeugt hö*, ftatnnten daher.
Sie ehtrfyringen alfef daram, ddfi man ^^ömf Raum ziir Be-
wegung, von der Fhi|^abi^ zuth Fhigey von d6n unbe^eg-
Keheti' Lagen zur BewegKdikeit otid V<>n der^ €fhen zum
aihdem auf diem Wege det ZnTdtnmeYifeliühg zn gelangen
Rcrtht. EÄe Bev^egnng aber ift es, die firOfier ift «8$ die UrAe-
wegliehkeifyufKl esbefteht zwifi^en denL^igen imRaium und
derVerandeYTWigihiRaiimnidrfdteBerfehu
Gdnzen,JbtiderndiederVerfiJii^ei^heitdermöglichenOe'-
ftök^unkte zur redien Unteift>d¥keit desOegenttaiIhdes.
Viele andrere Pröbleitie fmdf aiÄ derfelben Taufchüti^gf lier-
vorgegangen'. Wai dfe ikf^v^eglidieifr Punkte fßf die Be-
V^egiing eines beweglicheit Körpers findy das 6nd die Be-
griffe von verfchiedeneh QuafitSten tot den qnrfitativen
Wechfel eines Gegenhandel. Öle maVirrijöfdüdlieti Begriffey
irt Vielehe Geh eine* Verärtdeiting anflöft, find atfo ebenf3-
viele ftabil gewordene Erfeheintmgs^eifen der Inftabtlitdt
desWiVklichew. Uncf einGÄjekt dtehkeh, itti gebräuchlichen
Sinn des Wortes ,/^nken'',bedeütet> von feiner Beweglieh-
keit eine oder mehrere ünbe>^eg(iche Anflehte Aaufnefitnen.
Es bedeutet mit einem Wort, fich von Zeit tu Zeit ffageny
wie es damit beflfeltt ifty um zü witfeny was man damit an-
fangen könnte. HiehtsGerechtfertigrterei übrigens als diefe
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Art des Vorgehens, To lange es Geh nur um eine praktithe
Erkenntnis der Wirklichkeit handelt. Die Erkenntnis, fo-
weit Ge auf die Praxis hin orientiert ift, hat nur die haupt-^
fachlichen Attitüden der Sache uns gegenüber aufzuzahlen,
wie auch unfere beftmöglichen Attitüden ihr gegenüber.
Dies iß: die gewöhnliche Rolle der fertigen Begriffe, diefer
Stationen, mit denen wir den Weg des Werdens ab-
decken. Aber mit ihnen in die innerfte Natur der Dinge
eindringen wollen, d. h. auf die Beweglichkeit des Realen
eine Methode anwenden, die gefchaffen ift, unbewegliche
GeGchtspunktefürfiezu geben ^ dasheißtverge(ren,daßdie
MetaphyGk, wenn Ge möglich ift, nur eine mühevolle, ja
G:hmerzhafte Anftrengung Fein kann, die von Natur ab-
wärts geneigte Ebene der Gedankenarbeit wieder herauf-
zufteigen. Geh Togleich durch eine Art geiftiger Ausdehnung
1 in die Sache zu verfemen, kurz, von der Wirklichkeit zu
! den Begriffen und nicht mehr von den Begriffen zur Wirk-
; lichkeit zu gehen. IfteszuverwundemjdaödiePhilofophen
J fo oft den Gegenftand, den Ge zu erfaffen ftreben, vor Geh
entfliehen fehen wie Kinder, die durch das Schließen der
Hand den Rauch fangen wollen? So pflanzen Geh viele
der Streitigkeiten zwifchen den Schulen, von denen jede
der andern vorwirft, Ge habe Geh das Wirkliche ent-
Cchlüpfen laffen, unablafGg fort.
Wenn aber die MetaphyGk durch Intuition vorgehen foU,
wenn die Intuition die Beweglichkeit der Dauer zum Ob-
jekt hat und wenn die Dauer prychologiß:hen Wefens ift
^ werden wir dann den Philofophen nicht in die auslchließ-
liche Betrachtung feiner Pelbft einfchließen? Wird diePhilo-
fophie nicht darinbeftehen. Geh einfachlebenzurehen,„wie
ein Ichlafriger Hirt das Waffer fließen Geht"? So fprechen
hieße in den Irrtum zurückfallen, den wir feit dem Anfang
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diererUnterruchungunaufhörlichgekennzeichnethaben.Es
hieße die eigentümliche Natur der Dauer verkennen und
gleichzeitig den dem Wefen nach aktiven, ich möchte bei-
nahe Tagen, gev^altfamen Charakter dermetaphyfiGJien In-
tuition. Es hieße nicht (ehen, daß einzig die Methode, von
der wir fprechen, erlaubt, fowohl den Idealismus wie den
Realismus zu überwinden, die Exiftenz von uns unterge-
ordneten und übergeordneten, wiewohl freilich in einem
gewilTen Sinne uns inneren Gegenftanden zu behaupten,
fie miteinander ohne Schwierigkeit koexiftieren zu lalTen
und allmählich die Dunkelheiten zu zerftreuen, welche die
Analyfe um alle großen Probleme aufhäuft. Ohne hier die
Unterfuchung diefer verfchiedenen Punkte in Angriff zu
nehmen, wollen wir um begnügen, zu zeigen, wie die In-
tuition, von der wir fprechen, nicht ein einziger Akt, fon-
dem eine unendliche Reihe von Akten ift, die alle zweifel-
los von derfelben Gattung, aber jeder von fehr befonderer
Art find, und wie diefe Mannigfaltigkeit von Akten allen
Graden des Seins entfpricht.
Wenn ich die Dauer zu analyfieren, d. h. Ge in fertige
Begriffe aufzulöfen fuche, fo bin ich durch die Natur des
Begriffes und der Analyfe felbft genötigt, von der Dauer
im allgemeinen zwei entgegengefefete Anfichten aufzu-
nehmen, aus denen ich Ge nachher wieder zufammenzu-
fe^en fuchen würde. Diefe Kombination, die übrigens et-
was Wunderbares haben würde, da man nicht verfteht,
wie zwei Gegenfäfee dazu kämen. Geh zu vereinen, könnte
weder eine Verßiiiedenheit von Graden noch eine Ver-
änderlichkeit von Formen darftellen: wie alle Wunder ift
Ge ß:hlechthin oder Ge ift nicht. Ich werde z. B. Tagen, daß
es einerfeits eineVielheit von fukzefGven Bewußtfeinszu-
ftänden und andererfeits eine Einheit gibt, die Ge wieder
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irerbindet. Di^Dooerwird di€^yiithere''dieferEtnh6it und
diefer VieHieit Teki^ eine geheitntiisvoHe Ope?atk>i^ die ßch
in der Ffnfterms ▼olkieht und von der '^ idi wiederhole
es '^ nicht einziifehen ift^ wie fie Nuancen oder Grade
zulaflefi ibttte. Innerhalb diefer Hypothefe gibt es und ktfnn
es nur eine einzige Dauer geben, diejenige^ mit der unfer
BewuOtrein gewobnheitsmaffig operiert. Um es genauer
zu Tagen, wenn wir die Dauer unter dem einfachen A^kt
einer Bewegung nehmen, welche (ich im Raum voRzielrt,
und wenn wir die Bewegung, ab Vertrcfterin der Zeit be^
trachtet, auf Begriffe zu bringen iudien, fo werden wir
einerfeits eine beliebig groBe Anzahl von Punkten der Fkig-^
Knie erhalten und andererfeite eine abftrokte Einheit, wel-^
che fie wieder vereinigt, wie ein Faden die Perlen einer
Halskette verbinden wörde. ZwMchen diefer abftrakten
Vielheit und diefer abftrakten Einheit ift die Kondiinatioit,
wenn ße einmal ab möglidi gefet^ ift, etwas Einziges, für
das wir nidtt mehr Nuancen finden werden,als in der Aritlv-
metik eine Addition von gegebenen Zabfen bhioncen ge-^
ftattet. Werm man dagegen, anftatt die Dauer anolyfieren
zu wollen (d.h. im Grunde, mit BegriCfen eine Synthefe aus
ihr zu machen) (ich von vornherein durch eine Aufbietung
der Intuition in (ie verfemt, fei hat man das Gefiihl einer
gewiffen, genau beftimmten Spannung, deren BefUnv^
mung felbft wie eine aus einer Unendlichkeitvon möglichen
Dauern ausgewählte erlcheint. Von da an bemerkt man
beliebig viele Dauern, alle fehr voneinander verfi^hie^
den, obwohl jede von ihnen, auf Begriffe gebracht, d. h.
äußerlich von den beiden entgegengefet)ten Standpunkt
ten her im Auge gefaßt, (ich immer auf diefelbe unbe**
ftimmbare Kombination des Viefen und des Einen zurück-''
fuhren laßt
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Draeiken w diefelbe Idee prilzifer aus. Wenn ich die
Dauer als eine Vielheit von Momenten anCehe, die mit^
einander durch eine Einheit, weldie wie ein Faden durch
fie faindurdiLäuft, wieder verbunden Gnd, fo exiltieren diefe
Momente, vAe kurz audi die gewählte Dauer fei, in unbe-*
grenzter Zahl Ich kann fie Ib nah beieinander annehmen,
wie es mir beliebt; es weiden immer zwifijien diefen ma-^
thematiicben Punkten andere mathematifche Punkte liegen
— und fo fort ins Unendlidie. Von der Seite der Vielheit
angelehen, wird älfo die Dauer (Ich in einen Staubwirbel
von Momenten verflüchtigen, von denen keiner dauert, da
jeder ein augenblicklicher ift. Wenn ich nun andererfeits die
Einheit betrachte, welche die Momente wieder miteinan-'
der verbindet, fo kann diefe ebenfowenig dauern, da durdi
die Hypothefe alles, was es an WediFelndem und eigentlich
Dauerhaftem in der Dauer gibt, auf die Seite der Vielheit
der Momente verlegt worden ift. Diefe Einheit wird mir
airo im reiben Maße, wie ich ihr Wefen vertiefe, als ein un-^
bewegliches Subftrat des fidi Bewegenden erläeinen, als
irgendeine unzeifJiche Wefenhaftigkeit der Zeit: als das,
was ich die Ewigkeit nenne -^ eine Ewigkeit des Todes, denn
Ge ift nichts anderes als die Bewegung, aus der die Beweg-^
lichkeit, wddie fie zum Leben machte, getilgt ift. Wenn
man die antagoniftiß;hen Meinungen der Schulen in bezug
auf die Dauer genau nachprüfte, würde man fehen, daß
fie nur darin differieren, dem einen oder dem andern diefer
beiden Begriffe die Hauptwichtigkeit zuzuäireiben« Die
einen heften fich an den Cefichtspunkt des Vielfachen;
Ge ftellen als konkrete Realität die getrennten Momente
einer Zeit auf, die fie (bzufagen pulverifiert haben; Ge
halten demgegenüber die Einheit, welche aus den Kör-'
nem ein Pulver macht, für fehrvielkünftlicher. Die andern
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(teilen im Gegenteil die Einheit der Dauer als konkrete
Realität auf. Sie nehmen ihre Stellung im Ewigen. Aber
da ihre Ewigkeit tro^dem obßrakt bleibt, weil ße leer ift,
weil fie die Ewigkeit eines Begriffes ift, der nach der An-
nahme den entgegengefe^ten Begriff ausichließt, fo ift nicht
erfichtlich, wie diefe Ewigkeit eine unbeftimmte Vielheit
von Momenten mit fich koexiftieren laffen könnte. In der
erften Hypothefe hat man eine in der Luft hangende Welt,
die in jedem Augenblick von Telbft enden und wieder be-
ginnen müßte. In der zweiten hat man ein Unendliches
von abßrakter Ewigkeit, von dem ebenfowenig zu be-
greifen ift, warum es nicht in Geh felbft eingehüllt bleibt
und wie es die Dinge mit Geh koexiftieren laßt. Aber in
beiden Fallen, und welche von den beiden MetaphyGken
auch diejenige fei, auf die man Geh eingeftellt hat, ericheint
die Zeit unter dem pfychologilchen CeGchtspunkt wie ein
Cemilch von zwei Abftraktionen, die weder Grade noch
Nuancen zulaffen. Im einen Syftem wie im andern gibt es
nur eine einzige Dauer, die alles mit Geh reißt, einen Fluß
ohne Grund, ohne Ufer, der ohne angebbare Kraft in
einer nicht zu beftimmenden Richtung fließt. Es ift fogar
noch nicht einmal ein Fluß; der Fluß fließt nur, weil die
Realität von den beiden Doktrinen diefes Opfer eriangt,
indem Ge von einem Zerreißen ihrer Logik Nufeen zieht.
Von dem Augenblick an, wo Ge Geh wieder erfaffen, laffen
Ge diefes Fließen erftarren, fei es in einer feften Decke, fei
esin einer Unendlichkeit von Kriftallnadeln, immer in einem
Ding, dos notwendig an der Unbeweglichkeit eines Ge-
Hchtspunktes teil hat.
Ganz anders fteht es, wenn man Geh mit einem Schlage
durch eine Aufbietung der Intuition in den konkretenVer-
lauf der Dauer verfemt. Allerdings wird man dann keinen
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logilchen Grund finden, vielfache oderverichiedene Dauern
zu Te^en. Streng genommen könnte es dann keine andere
Dauer geben als die unfere ^ fo etwa, als ob es keine an--
dere Farbe auf der Welt geben könnte als z. B. Orange.
Aber ebenfo wie ein auf Farbe baGertes Bewußtfein, das
innerlich auf Orange eingeftellt wäre, anftatt es äußerlich
wahrzunehmen. Geh zwiß^hen Rot und Gelb geftellt fühlen
würde, vielleicht gar unter diefer Farbe ein ganzes Spektrum
vorfühlen würde, in das Geh die vom Rot zum Gelb füh-
rende Kontinuität naturgemäß verlängert ^ ebenfo fefet die
Intuition unferer Dauer, weit entfernt, uns im Leeren hän--
gen zu lalFen, wie es die reine Analyfe täte, uns in Kontakt
mit einer ganzen Kontinuität von Dauern, die wir zu ver--
folgen fuchen muffen, fei es abwärts, fei es aufwärts: in
beiden Fällen können wir uns durch eine immer kräf-
tigere Anftrengung ins Unbegrenzte erweitem, in beiden
Fällen gehen wir über uns felbß: hinaus. Im erften gehen
wir auf eine immer zerftreutere Dauer zu, deren Pulsfchläge
Ichneller als die unferen find, indem fie unfere einfache
Wahrnehmung zerteilen, ihre Qualität in Quantität ver-
dünnen: an der Grenze wäre das rein Homogene, die
reine Wiederholung, durch welche wir die Materialität
definieren. In der andern Richtung gehen wir auf eine
Dauer zu, die fidi immer mehr in Geh fpannt. Geh zufam-
menzieht, immer intenfiver wird: an der Grenze würde die
Ewigkeit fein. Nicht mehr die begriffliche Ewigkeit, die
eine Ewigkeit des Todes ift, fondem eine Ewigkeit des
Lebens. Eine lebendige und infolgedelTen eine fidi nodi
bewegende Ewigkeit, in welcher unfere eigene Dauer fich
wiederfinden würde wie die Schwingungen im Licht, und
welche die Verdichtung aller Dauer fein würde, wie die
Materialität ihre Zerftreuung ift. Zwilchen diefen beiden
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^Oerfteii Qrenzen bjewi^gt Rfh äiß Intuition, umd dlefe
Bewegung (ft die Meta|>hy.tik.
ES kAnn nicht in frage Vpmmen, hier 4ie verfiiiiedenieo
ßtappec^ di^ercsr Bewegung zu durchUiufen. Aber nacfa--
dem wir eine ^Ilgem^eine QberGcht d,er Methodie geboten
]Liiid eine erfte Anwendung von ihr gemacht haben, wird
ß^ viiell^icht nicht nut^lo$ feiQ, in fp prazifen Ausdrucken
wie irgend möglich die Pri^pie» m formulieren, auf
wfsldiep fie ruht. Von df^n Sa|^n^ die wir aufftellen wer?
den, haben die meifteQ in der vorliegendien Arbeit einen
Anfang des Beweifes gß^den. Wir hofen, Rß voUkom-r
men erklären zu können, wenn wir andere Probleme er^
jortem werden.
I. Es gibt einis äußere und dennoch unterem Geift
unmittjelbar gegebene Realität. Der gefunde Men-r
K^enverftand hat in diefem Punkte recht gegen den Idea--
lismus und d^n Realismus der Philofophen.
II. Diefe Realität ift Beweglichkßit. Es gibt keine entftan--
dienen Dinge, tondern nur Dinge, die entftphen, keine fich
erhaltenden Zuftände, fondem niirwefchfelnde Zuftände.
Die Ruhe ift immer nur (äeinbar, oder vielmehr relativ.
Das Bjewußtrein, das wir von qnferer eigenen Perfon in
ihrem kontinuierlichen Verlauf haben, fuhrt uns ins Innere
einer Re4lit4b nach deren Hufter wir uns die übrigen vor-*
ftellen müITen. Alle Realität ift alfo Strebung, wenn
/ man dahin übereinkommt, mit Strebung eine im^
mer von neuem ^ wie etwa in einer Kurve r-
elnl^etzende Richtnngsänderung zu bezeichnen.
lU. Unter Geift, der fefte Stji^punkte fudit, hat im ge--
wohnlichen hmf ^es Lebens zur hauptCichlicfaen Funktion,
flieh ZuTtände und Dinge vorzufteUen. Er nimmt dann
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lind Wj^nn gleldibm fnoiTi^.iKt^Die Anficfatea vob der un'^'
flieteUten Pe^egtichkeit des WirkUi^hen wf. So erhalt er
WAhrnehmMqgen und Ideen. Auf diefe Weife TiibAifai'^
iert er dem Koniini]ierli.Qben da$ Oiskoirtmiierlidiej der
ßewegliehkett die Stabilität, der StreJbung im Wechfel die
heften PiinVte, veldie eine Riphtung des Wechtels uad der
Strebuqg beg:eicbi>en. Diele Subftitiiierung ift dem geliiin''
denMenIcheiiyeri]tiind,der Spradie^demprjdktÜchenLeben
imd fpg^r in einem gewilTen M^e, dos wir znbeftimmen
Tudien wollen, ßudi der poGtiven WiflenCbtiaft notwen-f
dig. Unfpr Intellekt, wenn er feiner natürliehen
Neigung folgt, geht diirph fefte Wahrnehmungen
einerreits und durch beharrende Begriffe an"
dererfeits vor. fr geht vom Unbeweglichen aus und^
begreift die Bewegung nur als Funktion der Unbeweg-? i
lichkeit und nur in diefer drückt er fie aus. Er le^t (ich in
den fertigen Begriffen feft und bemüht Geh, darin wie
in einem lie|^ etwas von der vorübeigehenden Rear*
litat zu fangen. Zwpif^Hos gel^ieht dies nicht, um eine4
innere und metaphyfilphe EHcenntnis des Wiiklidien zu er'r I
langen.
Es ge&hieht einfach, um davon einen Gebrauch zu madhen,
da jeder Begriff (wie übrigens auch jede Wahrnehmung)
eine praktifche Frage ift, welche unlere Aktivität an
die Wirklichkeit ftellt und auf welche die Wirklidikeit ^
wie Cvii dos im Getiiäftsverkehr gehört -^ mit emem Ja
oder einem Hein antwortet. Aber hierdurch laOt unfer
Intellekt Geh vom Wirklichen dos entlchlüpfen, was deflen
eigentliches Wefen ift.
IV. Die der MetaphyGk anhaftenden Schwierigkeiten, die
Antinomien, weldie 6e hervorruft, die WiderCprüche, in
die Ge verfallt, die Teilung in antogoniftifche Schulen und
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die unlösbaren Gegenfä^lichkeiten zwiß^hen den Syftemen
rühren zum großen Teil daher, daß wir auf die uninter-^
effierte Erkenntnis des Wirklichen die Verfahrungsweifen
anwenden, deren wir uns beftändig für praktilche Nü^Iich"
keitszwecke bedienen. Sie rühren daher, daß wir uns im
Unbeweglidienfeftfe^en,umdas ßchBewegendein feinem
Vorübergehen zu erfpähen, anftatt uns in das Geh Bewe-
gende zu veriefeen, um mit ihm die fetUiegenden Punkte
zu durchlchreiten. Sie rühren daher, daß wir fuchen, die
Realität, welche Strebung und infolgedeffen Beweglichkeit
ift, mit Wahrnehmungen und Begriffen zu rekonftruieren,
deren Funktion es ift, Ge zu immobiliGeren. Aus Stillftän-
den ^ Co viel ihrer auch feien ^ wird man niemals Be-
weglichkeit bilden; wenn man aber von der Beweglich-
' keit ausgeht, kann man auf dem Wege der Diminution
^ durch das Denken fo viele Stillftände daraus ziehen, wie
man will.
Mit anderen Worten: Man begreift, daß durch unfer
Denken fefte Begriffe aus der beweglichen Rea-
lität gezogen werden können; aber es ift durch-
aus unmöglich, mit der Feftigkeit der Begriffe die
Beweglichkeit des Wirklichen zu rekonftruieren.
Der Dogmatismus, foweit er Erbauer von Syftemen ift,
hat jedoch immer diefe Rekonftruktion verfucht.
V. Er mußte daran Icheitem. Es ift diefe Ohnmacht und
einzig diefe Ohnmacht, welche die fkeptilchen, idealiftiUien,
kritiziftilchen, kurz alle diejenigen Doktrinen konftatieren,
welche unferem Intellekt die Fähigkeit abfprechen, das
Abfolute zu erreichen. Aber daraus, daß wir daran Ichei-
tern, die lebendige Wirklichkeit mit ftarren und fertigen Be-
griffen aufzubauen, folgt nicht, daß wir Ge nicht auf irgend-
eine andere Weife ergreifen könnten. Die Beweisfüh-
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rungen, die von der Relativität unferer Erkennt-
nis gegeben worden find, find alle mit einem ur-
fprOnglichen Fehler behaftet: fie nehmen wie der
Dogmatismus, den fie angreifen, an, daß jede Er-
kenntnis notwendig von feft umrittenen Begriffen
ausgehen muß, um mit ihnen die verfließende
Wirklichkeit zu erreichen.
VI. Aber in Wahrheit kann unter Intellekt den umgekehr-
tenWeg verfolgen. Er kann fich in der beweglichen Wirk-
lichkeit niederlaften, ihre unaufhörlich wechtelnde Richtung
annehmen, kurz (ie vermittelft jenes intellektuellen
Mitlebens ergreifen, welches man Intuition nennt. Dies
ift von äußerfter Schwierigkeit. Der Geift muß Reh ver-
gewaltigen, die Richtung feines gewöhnlichen Denkver-
fahrens umkehren, alle teine Kategorien unaufhörlidi um-
drehen oder vielmehr umßrhafFen. Aber er wird to zu
flüfligen BegrifPen gelangen, welche fähig find, der Wirk-
lichkeit in all ihren Windungen zu folgen und die Bewegung
des inneren Lebens der Dinge anzunehmen. Nur to wird
Geh eine fortßrhreitende Philotophie bilden, die von den
Streitigkeiten zwißrhen den Schulen befreit und fähig fein
wird, die Probleme auf naturliche Weite zu löten, weil fie
Geh der kunftlichen Ausdrucke, in Vielehen die Probleme
geftellt Gnd, entledigt haben wird. Philotophieren be-
tteht darin, die gewohnte Richtung der Denkar-
beit umzukehren.
VII. Diete Umkehrung ift niemals in methodilcher Weite
geübt worden; aber eine vertiefte Gefchichte des menfch-
lichen Denkens würde zeigen, daß wir ihr towohl alles
Größte in den exakten Wiffenfchaften wie auch alles Le-
bensfähige in der MetaphyGk verdanken. Die mächtigfte
der Forfchungsmethoden, über die der menfchliche Geift
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verfugt, die lnfinitefimdUn^lyre ift aus eben diefer Umkeh-^
ning ei^tftandefi. Die inpdenie MalhemaHk ifi: genau ge^
Iprochen eine Bemühung, d^m Fertigen das Werdende
zi| fubltitiiier^n, die Emtftehuiig der Größen ^ verfolgen,
die Bewegung nicht mehr vpn aii0en in ifaremdargebreiteten
Refultat, fondem von innen in ihrer Tenden? zum Wechrel
zu erfafTen, kurz, die bewegliche Kontinuität der Form der
Dinge anzunehmen* Allerdings h$It ße ßch dabei an die
Form^ da fie nur die WilTenfchaft von den Großen ift* Aller-^
dingi hat fie m ihren wunderbaren Anwendungen auch
nur durch die Erfindung beIHmmter Symbole gdangen
können, und wenn die Intuition, von der wir (prechen^ den
Urfprung der Er^dung bildet, Ib ift es das Symbol allein,
das die Anwendung vermittelt Die Metaphyßk aber, die
auf keine Anwendung ausgeht, kann und Jbll (ich zunieift
enthalten, die Intuition in Symbole umzufe^en, Von der
Verpflichtung befreit, ^ praktilch verwertbaren Refultaten
;ni gelangen, wird (ie ihr Forichungsgebiet unabrehlidi er*^
weitern. Was fie im Vergleich zur exakten WifTenC^fl: an
Nu^lichkeit und Strenge einbüßen wird, das wird fie wie-
dergewinnen an Tragweite und an Ausdehnung. Wenn
die Mathematik nur die WilFenlchaft von den Größen ift,
wenn die mathematiR^hen Verfahrungsweifen fich nur auf
Quantitäten anwenden laiTen, fo darf man nicht vergeflen,
daß dif Quantität inmier Qualität in werdendem Zuftand
ift: fie ift, könnte man Tagen, deren Grenrfall. Es ift allb
natürlich, daß die Metaphyfik die (chöpferilche Idee unterer
Mathematik übernimmt, um fie auf alle Qualitäten, d, h.
auf die Realität im allgemeinen, miSTudehnen» Sie wird Geh
auf diefe Weife keineswegs der UniverfaUMathematik,
diefer Chimäre der modernen Philofophie, annahem. Ge-^
rade im Gegenteil, im Gdben Maße, wie fie weitergehen
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wird, wird Gel immtt fehwerer durch Symbole m äyer-
fegende Cegenftände antreffen. Aber ße turt Ib wenigftens
den Anfang gemacht, mit der Kontinuität und der Beweg*^
fidkkefl de^ Wirklichen an der Stelle in Kontakt zu treten,
wo dfel#r KoiTtokt am wondeivonfteA äus^nut^n ift. Sie
hat Geh m einem Sf>iegel betrachtet, der ihr ein zw^ifelloi
(ehr verkleineTte$» aber auch ekf (ehr letichtetfide^ Bild ihrer
(eftOr ziirücksrebc^ wird Sie bat mit eihet uberiegeneti
Kkirhelt gefehen, was die tnathematifcheti Verfabrütigs--
weifet« yott der kofikretefi Real«t«[f eirllehnfeny und He wird
itf» öet ftiebtüng der konkreten Re^^ät fortf«^refl, nicht in
der d^r mathemattüelien Verfäfarungfweiretr. Sagen wir
oKb, nächctem wir kn "f^atmxi gemildert hdbMto, wds die
Formel migteicli aa lü Berdheidenem nnd zn Arrfpruchf^
vollem hai^n kennte: daß die Aufgabe der Meta-^
phyRk ift, qualitative Differenzierungen und In-^
fe^rfernngen ansr^ffihren.
Vlll We& dazu g^rf&hrt hat, daß man diefe Anfgäbe aus
den Ai^en v^k>f und was die Wlie^nMufft Mb^ fifeer den
Urf^rung ihrer Verfdhrüngsweilim £^tfiui<^f hat, ift die
Tat(adie, daff dkr einnkil gewoimene Intoitfoiy einen Aus--
dr^fdb- ui^d Anwendbngsmodus fniden mud, der unferen
Denkgewohnheiten angemeflen ift find det tfn$ in den f efl^
gelegten Begriffen die ßcheren Stul(pünkf e bietet, deren
wir fo fehr bedürfen. f>arin liegt d#e Bedingung Ifir dsi,
was wir Schärfe, Präzision und auch nnbefchrankte Am^
dehnung einer aifgenfevnen Methode «öl befondere Fälle
neMten. Nun können diefe Au^&dehnung und diefer Arbeit
der logifchen Vervollkommnung fich durch Jahrhunderte
fortfefeen, während der Zeugungsakt der Methode nur
einen Augenblick dauert. Und deshalb nehmen wir fo oft
den logildien Apparat derWiffenfchaftfurdieWiflenfehärfk
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felbft^ und vergeffen die metaphyßrche Intuition, von der
alles übrige ausgegangen ift.
Aus dem Vergeffen diefer Intuition geht alles hervor, was
von den Philofophen und den Gelehrten felbft über die
„Relativität" der wiffenfchaftlichen Erkenntnis gefagt ift.
Relativ ift die Tymbolifche Erkenntnis durch vor-
her beTtehende Begriffe, welche vom Feften zum
fich Bewegenden geht, aber keineswegs die in-
tuitive Erkenntnis, die fich in das fich Bewegende
hineinverfetzt und das Leben der Dinge felbft fich
zu eigen macht. Diefe Intuition erreicht das Abfolute.
Die exakten WiffenBiaften und die Metaphyfik treffen alfo
zufammen in der Intuition. Eine wahrhaft intuitive Philo-
fophie würde die fo fehr erfehnte Vereinigung der Meta-
phyfik und der Wiffenichaft verwirklichen. Sobald fie die
Metaphyfik in die Stellung einer pofitiven ^ d. h. einer
fortßrhreitendenundunbegrenztvervollkommnungsfähigen
— Wiffenichaft einfette, würde Ge die im eigentlichen
Sinne pofitiven Wiffenßehaften dazu bringen, fich ihrer
wahren Tragweite bewußt zu werden, die oft fehr viel
größer ift, als fie ahnen. Sie würde mehr Wiffenichaft in
die Metaphyfik und mehr Metaphyfik in die Wiffenfchaft
bringen. Sie würde das Ergebnis haben, die Kontinuität
zwifchen den Intuitionen wieder herzuftellen, zu denen es
die verßrhiedenen pofitiven Wiffenfchaften von Zeit zu Zeit
im Lauf ihrer Gefchichte gebracht haben, und zwar nur
durch die Eingebungen des Genies gebracht haben.
IX. Daß es nicht zwei verfchiedene Weifen gibt, die Dinge
^ Ober diefen Punkt wie über mehrere andere in diefem Artikel be*
handelte prägen fehe man die fdiOnen Arbeiten der Herren Le Roy,
Vincent und Wilbois, die in der Revue de M^physique et de Morale
erfdiienen find.
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grundlich zu erkennen, daß die verCJiiedenen Wiffen--
Rrhaften ihre Wurzel in derMetaphyfik haben, dds war die
allgemeine Überzeugung der antiken Philofophen. Nicht
hier lag ihr Irrtum. Er beftand darin, daß Ge immer aus dem
demmentiilichenGeifte fo natürlichen Glauben Ichöpften,
eine Veränderung könne nur Unveranderlichkeiten aus-
drücken und entwickeln. Hieraus ergab Geh, daß die Ak-
tivität eine abgelchwächte Kontemplation, die Dauer ein
trügerilchesund bewegliches Bild der unbeweglichen Ewig-
keit, die Seele ein Sturz der Idee war. Diefe ganze Philo-
Tophie, die mit Plato beginnt, um bei Plotin anzulangen,
ift die Entwicklung eines Prinzips, das wir folgendermaßen
formulieren würden: „Im Unbeweglichen ift mehr ent-
halten als im Beweglichen, und man gelangt vom Stabilen
zum Unftabilen durch eine einfache Verminderung." Das
Gegenteil aber ift die Wahrheit.
Die moderne WifTenfchaft datiert von dem Tage, wo die
Beweglichkeit als telbftandige Realität aufgeftellt wurde. Sie
datiert von dem Tage, wo Galilei, indem er eine Kugel
über eine abwärtsgehende Ebene rollen ließ, den feften
Enttchluß faßte, diete Bewegung von oben nach unten für
Geh Telbft, in Geh telbft zu ftudieren, anftatt ihr Prinzip in
den Begriffen des Oben und Unten zu Tuchen, in zwei
Unbeweglichkeiten, durch welche Ariftoteles ihre Beweg-
lichkeit hinreichend zu erklären glaubte. Und dies ift keine
alleinftehendeTattache in der Gefchichte derWifTenfchaf-
ten. Wir Gnd überzeugt, daß mehrere der großen Ent-
deckungen, derjenigen wenigftens, welche die poGtiven
WifTenfchaften verwandelt oder neue gefchaffen haben,
ebenfoviele Lotungen in die Tiefe der reinen Dauer ge-
wefen Gnd. ]e lebendiger die berührte Wirklichkeit war,
um fo tiefer war die Lotung gewefen.
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Das Lot Af€t, das diif den Onind des Meercfs g^worfeif
v^irdy bringt eine ftaßige MafTe mft lieraiif, Vielehe die
SoTttie Tehr fchnell zu feften ütid nitm[ömtaenhäug€ndett
Sandkötneiti auftrocknet. Und die (ntuitiof^ der Dauer
wir d^ wenn Irtan fie dew Strahlen des Veritaride*$ auiCfet^y
gteiehfalts Tehr fi^eS zu 6rR:arrteYf, getrentiten^unbe^veg-
Kdienf Begriffen. Der Verftand verlegt fic^ darauf, ki der
lebendigen Bewegli^eit deY Dinge di^f "drirklichen öder
viftoeflen Statiorten zu bezeichwen, tt verzeichnet die Ab-
reifen orifd die Änkuulte.^ d}e$ ift altes, v^Oraüf es dem?
Denketf det Menfcheti, fcyweit es Möfl *fienfiiiKrfi ift, ah-
kortfflPrt. Es ift mehr ab mewfiMchy das zu er^^eifen^ v^as
irri bitervaH vorgeht. Abeir dte PhiloEcyphie kann mir ^e
Anftretigung fein/ die menft^lic^ ßedihgdieit zö ä>eir-
fi^eiten*.
Auf die Begriffe, mit denefW ße deti Weg deY biturKön ab-*
geftedtt habeny habew die Celehrtto^ rhit Vorliebe ihre»
Blick geirtehtet )t tt^ht ^ ^^te dffrch den Synd>oIzäftand
fimA^ch geg^ngeneYi firedeilehtfige betra<^eten, um k>
tAefif fchfiebe^ fte alleY Wiffienfi:ftaft einetr iVmboiircheA'
ChdA^aktet Td. Lhvd je tivehv (ie an^ defh tymbolifehen Cha-
rakter der Wiffetifchaft gtaelyteYi, üttt fo mehr realifiertew
imd betontein^ G^ ihn a^ ih¥. Bald ma^terf tie m der
pofitiveh W^rffenfijfaft Iceinei* Unt^rfehied thetfr ^ifcherf
dem Natätlidien und dem KuftMidiei^/ zwifchen den Ge-
gebenheiten dei^unmit^elbaren InfeM^tWund derünermefl^
liehen Arbeit der Afidyfe, mit der der Verftatfd die' Intui-
tion ümg^t. Sohaberi fie einer Doktrin die'Wege bereitet,
Vielehe die Relativität dlef i^ferer Erkenntniffe behauptet.
Die Meta^yfik aber ha(t gfeichfalb weiter gearbeitet
Wie Tollten' die Meifter der modernen Philofophie, welche
gleichzeitig Metaphyfiker und Errteuerer derWiffert^aftert'
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waren, nicht das Gefühl der beweglichen Kontinuität des
Wirklichen gehabt haben? Wie Tollten (le ßch nicht in das
verfemt haben, was wir die konkrete Dauer nennen? Sie
haben es mehr getan als (le glaubten, viel mehr vor allem,
als (ie es gefagt haben. Wenn man Geh bemüht, durch fort-^
laufende Linien die Intuitionen wieder miteinander zu ver-
binden, um welche Geh die Syfteme organiRert haben, fo
findet man neben mehreren anderen konvergierenden oder
divergierenden Linien eine genau beftimmte Gedanken-
und Gefuhlsrichtung. Welches ift diefer lebende Gedanke?
Wie läßt Geh diefes Gefühl ausdrucken? Um noch einmal
die Sprache der Platoniker zu entlehnen, fagen wir, indem
wir die Worte ihres ptychologiUien Sinnes entkleiden, in-
dem wir Idee eine gewilFe ZuHcherung leichter Be-
greiflichkeit und Seele eine gewUFe Lebens-Unruhe
nennen, daß ein unGchtbarer Strom die moderne Phi-
lofophie dazu fuhrt, die Seele über die Idee zu ftellen.
Ihre Tendenz ift es daher, wie die moderne exakte WifFen-
Cjiaft und fogar vielmehr als Ge in der umgekehrten Rich-
tung des antiken Denkens zu gehen.
Aber diefe MetaphyGk hat ebenfo wie diefe WUFenlchaft
um ihr tiefes Leben ein reiches Gewebe von Symbolen
gebreitet und bisweilen vergefTen, daß, wenn die WifTen-
Ichaften in ihrer analytilchen Entwicklung der Symbole be-
dürfen, die hauptfächliche Dafeinsberechtigung der Meta-
phyGk ein Bruch mit den Symbolen ift. Auch hier noch hat
der Verftand feine Arbeit der Feftlegung, der Teilung, der
Rekonßruktion verfolgt. Allerdings hat er es unter einer
ziemlidh abweichenden Form getan. Ohne auf einemPunkt
zu beftehen, den wir uns an anderer Stelle zu entwickeln
vorbehalten, beßrhränken wir uns darauf zu fagen, daß der
Verftand, delTen Rolle es ift, mit ftabilen Elementen zu
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arbeiten, die Stabilität, Tei es in Relationen, Tei es in
Dingen, Tuchen kann. Infoweit er mit RelationsbegrifFen
arbeitet, gelangt er zum wirTenfchaftliehen Symbolis-
mus. Infoweit er mit SachbegrifPen arbeitet, gelangt er
zum metaphyrifchen Symbolismus. Aber im einen wie
im andern Fall ftammt die Anordnung von ihm. Er möchte
Geh gern für unabhängig halten. Lieber, als Tofort anzuer-^
kennen, was er der tiefen Intuition der Wirklichkeit ver-
dankt, te^t er (ich der Gefahr aus, daß man in feinem
ganzen Werk nur eine künftliche Anordnung von Symbolen
Geht. So daß, wenn man Geh buchftäblich an das hielte,
was MetaphyGker und Gelehrte fagen, ebenfo wie an den
Inhalt von dem, was Ge tun, man glauben könnte, daß die
erfteren unter der Wirklichkeit einen tiefen Tunnel gebohrt
haben, daß die lefeteren Ober Ge eine prächtige Brücke
geßrhlagen haben, daß aber der lebendige Strom derDinge
Zwilchen diefen zwei kunftvollen Arbeiten hindurchgleitet,
ohne Ge zu berühren.
Einer der hauptfächlichen Kunftgriffe der KantiErhen Kritik
hat darin befanden, den MetaphyGker und den Gelehrten
beim Wort zu nehmen, die MetaphyGk und die exakte
Wiffenlchaft bis an die äußerfte Grenze des Symbolismus
zu treiben, bis zu der Ge dringen können und der Ge Geh
übrigens von felbft nahem, fobald der Verftand eine Un-
abhängigkeit ^ die voller Gefahren ift ^ beanfprucht.
Nachdem er einmal die Verbindungen der Wiffenlchöften
und der MetaphyGk mit der intellektuellen Intuition ver-
kannt hat, ift es für Kant nicht Ichwer, zu zeigen, daß unfere
WiffenErhaft durchaus relativ und unfere MetaphyGk durch-
aus künftlich ift. Da er die Unabhängigkeit des Verftandes
im einen wie im andern Fall überfteigert hat, da er die
MetaphyGk und die exakte Wiffenfchaft von der intellek-
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tuellen Intuition, die ihr ihren inneren StofFgab, gelöft hat,
fo ftellt ihm die WifTenlchaft mit ihren Relationen nur noch
eine leere HautvonForm, die MetaphyGk mitihrenDingen
nur noch eine Haut von Inhalt dar. Ift es zu verwundern,
daß die erftere ihm nun nur noch in Rahmen eingefugte
Rahmen, die lefetere nur noch Phantomen nachjagende
Phantome zeigt?
Er hat unteren Wiffenichaften und unterer Metaphyfik to
rauhe Stöße beigebracht, daß fie (ich noch nicht ganz von
ihrer Betäubung erholt haben. Unter Geift würde Geh
gern reGgnieren, in der Wiftenichaft eine lediglich relative
Erkenntnis, in der MetaphyGk eine leere Spekulation zu
tehen. Es Icheint uns noch heute, als bezöge die KantiEJie
Kritik Geh auf alle MetaphyGk und auf alle Wiftenichaft. In
)X^rklichkeit bezieht Ge Geh haupttächlich auf die Philoto-^
phie der Alten, wie auch auf die ^ immer noch antike^
Form, welche die Modernen meiftens ihrem Denken ge--
laften haben. Sie gilt einer MetaphyGk, die uns ein ein-^
ziges und fertiges Syftem der Dinge geben will, einer
Wiftenichaft, welche ein einziges Syflem von Relationen
wäre ^ kurz, einer Wiftenichaft und einer MetaphyGk, die
Geh in der architektonilchen Einfachheit der platdnilchen
Ideenlehre oder eines griechilchen Tempels darftellen
würden. Wenn die MetaphyGk Geh aus Begriffen konftitu-
ieren will, die wir vor ihr beG^en, wenn Ge in einer kunft--
vollen Anordnung vorher exiftierender Ideen befteht, die
wir benähen wie Konfhiiktionsmaterial für ein Gebäude
^ kurz, wenn Ge etwas anderes ift als die beftändige Er-
weiterung unteres Geiftes, die immer erneute Anftrengung
über untere gegenwärtigen Ideen und vielleicht auch über
untere bloße Logik hinauszukommen, to ift es nur allzu klar,
daß Ge künftlich wird wie alle Werke des bloßen Ver-
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ftandes. Und wenn die WifTenKiiaft ganz und gar Werk
der AnalyFe oder der Vorftellung in BegrifFen ift, wenn die
Erfahrung ihr nurzur Verifikation von „klaren Ideen" dienen
Toll, wenn fie, anftatt von vielfachen verichiedenen Intu-^
itionen auszugehen, die fich in die eigene Bewegung jeder
Realität einfugen, (ich aber nicht immer ineinander ein^
(äachteln lalFen, eine unermeßliche Mathematik, ein ein-^
ziges Syftem von Relationen fein will, das die Totalitat des
Wirklichen in ein Ejion vorgerichtetes Nefe einfperrt, fo
wird fie eine rein auf den menUiIichenVerftand bezogene
Erkenntnis. Man lefe die Kritik der reinen Vernunft
genau ^ und man wird fehen, daß es diefe Art von Uni-
verfal^-Mathematik ift, die für Kant die WifFenlchaft be-
deutet, und diefer kaum umgeftaltete Platonismus, der
ihm Metaphyfik ift. In Wahrheit ift der Traum einer Uni--
verial-Mathematik Ichon felbft nur eine Erblchaft des Pia-
tonimius. Univerfal- Mathematik ^ zu ihr wird die Welt
der Ideen, wenn man annimmt, daß die Idee in einer Re-
lation oder einem Gefefe und nicht mehr in einem Ding
befteht. Kant hat diefen Traum einiger modemer Philo-
fophen^ für Wirklichkeit genommen: vielmehr noch, er
hat geglaubt, daß alle wiffenCrhaftiliche Erkenntnis nur ein
losgelöftes Bruchftück oder vielmehr ein erfter Schritt zur
Univerial-Mathematik fei. Hiemach war die Hauptaufgabe
der Kritik, diefe Mathematik zu begründen, d. h. zu be-
ftimmen, was der Intellekt fein foll und was das Objekt fein
foll, damit eine lückenlofe Mathematik ße miteinander
wieder verbinden könne. Und notwendigerweife, wenn
jede mögliche Erfahmng ficher fein kann, fo in die ftarren
' Man lefe über diefen Gegenftand in den Philofophifchen Studien
von Wundt einen fehr intereflanten Artikel von Radulescu-Motni: Zur
Entwiddung von Kants Theorie der NaturkauCalitat.
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und bereits gebildeten Rahmen unferes Verftandes einge--
fugt zu werden, geßrhieht dies (wenigftens wenn man keine
präftabilierte Harmonie annimmt) dadurch, daß unter Ver--
ftand Geh Telbft die Natur organifiert und (ich in ihr wie in
einem Spiegel wiederfindet. Daher die Möglichkeit der
Wiffenfchaft, die all ihre Wirkfamkeit ihrer Relativität ver-
dankt, und die Unmöglichkeit der Metaphyfik, weil dxek
nichts mehr zu tun findet, als an Phantomen der Dinge die
Arbeit der begrifflichen Anordnung zu parodieren, welche
die Wiffenfchaft emfthaft an Beziehungen vornimmt. Kurz,
die ganze Kritik der reinen Vernunft läuft darauf
hinaus, darzulegen, daß der Platonismus, der il-^
legitim ift, wenn die Ideen Dinge find, legitimwird,
wenn die IdeenBeziehungen rind,unddaßdiefer-'
tige Idee, nachdem fie einmal fo vom Himmel zur
Erde zurückgeführt ift, allerdings wie esPlato ge--
meint hatte, der gemeinfame Grund des Denkens
und der Natur ift. Aber die ganzeKritik der reinen
Vernunft ruht auch auf dem Poftulat, daß unfer
Intellekt unfähig ift, etwas anderes zu tun als zu
platonifieren, d. h. jede mögliche Erfahrung in vorher
beftehende Formen zu gießen.
Hier liegt die ganze Frage. Wenn die wiffenfchaftliche Er-
kenntnis das ift, was Kant gemeint hat, To gibt es eine ein-
fache, in der Natur vorgeformte und Togar vorformulierte
Wiffenfchaft, wie es Ariftoteles glaubte: die großen Ent-
deckungen erleuchten nur Punkt für Punkt die vorgezeich-
nete Linie diefer, den Dingen immanenten Logik, wie man
an einem Feftabend nach und nach den Gasflammenkranz
anzündet, welcher fchon die Konturen eines Monumentes
zeichnete. Und wenn die metaphyfifche Erkenntnis das
ift, was Kant gemeint hat, fo befchränkt Ge Geh allen großen
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FH-oblemen gegenüber auf die gleiche Möglichkeit zweier
entgegengefefeter Attitüden des Geiftes; ihre Äußerungen
find ebenfoviele willkürliche und ftets ephemere Entfchei-
dungen zwifchen zwei von aller Ewigkeit her virtuell for-
mulierten Löfungen: Ge lebt und Ge ftirbt an Antinomien.
Aber in Wahrheit zeigt weder die moderne Wiffenichaft
diefe einreihige Einfachheit noch die moderne MetaphyGk
diefe unaufhebbaren Gegenfä^e.
Die moderne Wiffenfchaft ift weder einheitlich noch ein-
fach. Sie beruht, wie ich ohne weiteres zugebe, auf Ideen,
die man fchließlich klar findet; aber diefe Ideen haben
Geh allmählich durch den Gebrauch, der von ihnen ge-
macht worden ift, geklärt; Ge danken den größten Teil
ihrer Klarheit dem Lichte, das ihnen die Tatfachen und
Anwendungen, zu denen Ge geführt haben, durch Rück-
ftrahlung zugefandt haben; denn die Klarheit eines Be-
griffes ift ja im Grunde kaum etwas anderes als die einmal
feftgewordene Gewißheit, ihn mit Nu^en zu gebrauchen.
Urfprünglich hat mehr als eine diefer Ideen dunkel erfchei-
nen muffen, fchwer vereinbar mit den in der Wiffenfchafl
bereits akzeptierten Begriffen und ganz nah daran, die Ab-
furdität zu ftreifen. Dies bedeutet foviel, wie daß die Wif-
fenfchaft nicht durch regelmäßige Einfirhachtelung von Be-
griffen vorgeht, welche beftimmt fein würden. Geh genau
ineinander einzufügen. Die wahren und fruchtbaren Ideen
Gnd ebenfoviele KontaktR^lüffe mit Strömen der Wirklich-
keit, die nicht notwendigerweife auf einen und denfelben
PHmkt zufanmienlaufen. Allerdings gelangen die Begriffe,
in denen.Ge untergebracht werden, immer dazu, indem Ge
ihre Ecken durch eine gegenfeitige Reibung abrunden. Geh
fo gut es geht, miteinander einzurichten.
Andererfeits befteht die MetaphyGk der Modernen nicht
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aus derartig radikalen Lörungen, daß (ie auf unaufhebbare
Widerrprüche hinauslaufen müßten. Es würde zweifellos
fo fein, wenn es ganz unmöglich wäre, zu gleicher Zeit und
auf demfelben Boden die Thefe und Antithefe der Anti--
nomien zu akzeptieren. Aber philofophieren befteht ge-^
rade darin, durch eine Aufbietung der Intuition Geh in das
Innere jener konkreten Realität zu verfefeen, von welcher
die Kritik von außen die beiden entgegengefefeten An--
lichten, Thefe und Antithefe aufgenommen hat. Ich kann
mir nie vorftellen, wie Schwarz und Weiß einander durch-
dringen, wenn ich nicht Grau gefehen habe; aber ich ver-
liehe ohne weiteres, wenn ich einmal Grau gefehen habe,
wie man es von dem doppelten GeGchtspunkt des Weiß
und des Schwarz anfehen kann. Die Doktrinen, welche
einen Untergrund von Intuition haben, entziehen Geh der
Kantifchen Kritik in genau dem Maße, wie Ge intuitiv Gnd;
und diefe Doktrinen bilden das Ganze der MetaphyGk,
vorausgefe^t, daß man nicht die in Thefen erftarrte und
tote MetaphyGk, fondem die lebendige der Philofophen
nimmt. Gewiß Gnd die Divergenzen zwilchen den Schulen,
d. h. im Ganzen die zwifchen den Gruppen von Schülern,
die Geh um einige große Meifter gebildet haben, er-
ichreckend. Aber ob Ge ebenfo grell zwifchen den Meiftern
felbft zu finden wären? Etwas beherrfcht hier die Ver-
fchiedenheit der Syfteme, etwas, das— wir wiederholen es
— einfach und klar ift wie eine Lotung, von der man fühlt,
daß Ge mehr oder weniger tief den Grund eines gleichen
Ozeans berührt hat, auch wenn Ge jedesmal fehr verichie-
dene Materien an die Oberfläche gefördert bat. Ober
diefen Materien arbeiten gewöhnlich die Schüler: dies ift
die Rolle der Analyfe. Und der Meifter, foweit er das,
was er heraufbringt, formuliert, entwickelt, in abftrakte
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Ideen überfefet, ift fchon in gewiffer Weife Geh Telbft gegen--
über Schuler. Der einfache Akt aber, welcher die Analyfe
in Bewegung gefegt hat und Geh hinter der Analyfe ver--
birgt, geht aus einer Fähigkeit hervor, die eine völlig an--
dere ift als die des AnalyGerens. Er ift — fo folgt es aus dem
Begriffe felbft — die Intuition.
Sprechen wir es zum Schluffe aus: diefe Fähigkeit hat nichts
Geheimnisvolles. Es ift niemand unter uns, der nicht Ged-
iegenheit gehabt hatte, Ge in einem gewiffen Maße zu be-
tätigen. Wer immer Geh z. B. an literarifcher Produktion
verfucht hat, weiß wohl, daß man, wenn der Gegenftand
lange ftudiert worden ift, wenn alle Dokumente gefam-
melt, alle Aufzeichnungen gemacht Gnd, eines Mehr bedarf,
einer oft fehr Ichmerzhaften Anftrengung, um Geh plö^lich
mitten in das Herz des Gegenftandes zu verfemen und um
fo tief wie möglich Geh einen Antrieb zu holen, dem ge-
genüber man nachher nichts mehr zu tun hat, als Geh gehen
zu lalTen. Diefer Antrieb weift, wenn er einmal empfangen
ift, den Geift auf einen Weg, wo er die Belehrungen, die
er gefammelt hatte, und noch taufend andere Einzelheiten
wiederfindet; er entwickelt Geh, er analyGert Geh felbft in
Ausdrücken, deren Aufzählung Geh ins Unendliche fort-
fe^en könnte; je weiter man geht, um fo mehr entdeckt
man; niemals wird man dazu gelangen, alles zu fagen: und
dennoch, wenn man Geh plö^lich gegen den Antrieb zu-
rückwendet, den man hinter Geh fühlt, um ihn zu ergreifen,
fo verbirgt er Geh; denn er war kein Ding, fondem eine
Bewegungsrichtung, und obwohl unendlich ausdehnbar,
ift er die Einfachheit felbft. Die metaphyGIche Intuition
(cheint von der gleichen Art zu fein. Was hier das Gegen-
ftück zu den Aufzeichnungen und Dokumenten der lite-
rariErhen Produktion bildet, ift die Gefamtheit der durch
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die poGtiven WifTenCrhaften gerammelten Beobachtungen
und Erfahrungen. Denn man erhalt nicht von der Wirk-
lichkeit eine Intuition, d. h. ein intellektuelles Mitfühlen mit
dem, was Ge an Innerftem beG^t, wenn man nicht ihr Zu-^
trauen durch eine lange KameradKJiaft mit ihren nach außen
gerichteten OfFenbarungen gewonnen hat. Und es handelt
Geh nicht bloß darum. Geh die bedeutfamften Tatfachen zu
eigen zu machen; man muß eine fo ungeheure Maffe an--
häufen und zufammenKJimelzen, daß man Geher fein kann,
in diefer Mifchung die vorgefaßten und vorzeitigen Ideen,
welche die Beobachter ohne ihr Wiffen ihren Beobach-
tungen etwa zugrunde legen konnten, durch einander zu
neutraliGeren. So nur wird die rohe Stofflichkeit der Tat-
fachen, die wir erkannt haben, aufgehoben. Selbft in dem
einfachen und befonders eindringlichen Fall, der uns als
Beifpiel gedient hat, felbft bei dem direkten Kontakt
des Ich mit dem Ich würde die endgültige Aufbietung der
beftimmten Intuition für den unmöglich fein, der nicht eine
fehr große Anzahl von pfychologifi^en Analyfen mitein-
ander vereinigt und konfrontiert hatte. Die Meifter der
modernen Philofophie waren Männer, die Geh das ganze
Material der Wiffenfchaft ihrer Zeit zu eigen gemacht
hatten. Und die partielle Finftemis der MetaphyGk feit
einem halben Jahrhundert hat erGchtlich keinen andern
Grund als die außerordentliche Schwierigkeit für den heu-
tigen Philofophen, mit unferer allzu differenzierten Wiffen-
R^aft vertraut zu werden. Aber die metaphyGfche Intuition
ift, obwohl Ge nur durch materielle Kenntniffe erreicht
werden kann, etwas ganz anderes als das Reliimee oder die
Synthefe diefer Kenntniffe. Sie unterfc^eidet Geh — wir
wiederholen es — davon, wie der bewegende Antrieb
Geh von dem Weg, den der bewegte Körper durchläuft,
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wie die Spannung der Feder Geh von den fichtbaren Be-
wegungen in der Uhr unterfcheidet. In dierem Sinne hat
I die Metaphyfik nichts gemein mit einer Verallgemeinerung
j der Erfahrung, und nichtsdeftoweniger ließe Ge Geh als
Idie erfchöpfende Einheit — nicht ZufammenfafTung —
aller Erfahrung definieren.
^4(./..-0rt
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EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN lENA
SCHRIFTEN VON HENRI BERGSON
MATERIE UND GEDÄCHTNIS • MIT EINFÜH-
RUNG VON W. WINDELBAND • Br.M8.-,geb.M9.50
DIE SCHÖPFERISCHE EVOLUTION Br.c«.M6. -
(Erfcheint 1910)
ALBERT STEENBERGEN- HENRI BERGSONS IN-
TUITIVE PHILOSOPHIE • Brofch. M 2.50, geb. M 550
DRUCK VON POESCHEL & TREPTE IN LEIPZIG
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DTJBON
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— JUN 6'65-7PM
LD 21--100Tn-12,'43 (8796s)
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